Francesco Piemontesi über Liszt und Mozart

Franceso Piemontesi spielt heute und morgen mit dem Staatsorchester das Klavierkonzert Nr. 2 von Franz Liszt im Nationaltheater
von  Robert Braunmüller
Der Pianist Francesco Piemontesi wurde 1983 in Locarno geboren.
Der Pianist Francesco Piemontesi wurde 1983 in Locarno geboren. © Benjamin Ealovega

Eben hat er eine CD mit zwei Klavierkonzerten von Mozart herausgebracht. Heute und morgen widmet sich der aus der italienischsprachigen Schweiz stammende Pianist Francesco Piemontesi mehr der Virtuosenliteratur: Im Nationaltheater spielt er das Klavierkonzert Nr. 2 von Franz Liszt. Cristian Macelaru dirigiert davor Zoltán Kodálys „Konzert für Orchester“ und Belá Bartóks Suite „Der holzgeschnitzte Prinz“.

AZ: Herr Piemontesi, lässt sich eine Verbindungslinie zwischen Mozart und Liszt ziehen?
FRANCESCO PIEMONTESI: Das Schöne ist: Es gibt unglaublich viel Musik für Klavier. Im Kopf und im Herzen habe ich viel Platz für viele Komponisten von Bach bis hin zur zeitgenössischen Musik. Bei einem Klavierabend bringt dann all dies zusammen. Jeder von uns verfügt über genügend emotionale Breite, das alles zu hören.

Trotzdem lässt der landläufige Mozart-Spezialist von Liszt die Finger – und umgekehrt.
Für viele ist Franz Liszt vor allem der Komponist der ungarischen Rhapsodien. Für mich stehen die Sonate in h-moll und der Zyklus „Années de pèlerinage“ im Vordergrund. Er war ein großer feinsinniger Komponist. Und da berühren sich vielleicht Mozart und Liszt dann doch.

In welcher Hinsicht?
Liszts Musik ist viel strukturierter, als ihre virtuose Oberfläche annehmen lässt. Ganz abgesehen davon, dass Liszt sich viel mit Mozart beschäftigt hat.

Bei Liszt würde mir da allerdings nur die „Don-Juan“-Fantasie einfallen und das exzentrische Stück „À la Chapelle Sixtine“, das Mozarts „Ave verum“ mit dem Miserere von Gregorio Allegri zusammenbringt.
In Liszts Leben und Werk gibt es eine enorme Bandbreite und viel Widersprüchlichkeit. Er lebte mit verheiraten Frauen zusammen, hatte Kinder und empfing später als Abbé die niederen Weihen. Ein Stück wie die Dante-Sonate hat wenig mit dem Rest der „Annés de pèlerinage“ zu tun. Und die Sonate in h-moll verbindet kaum etwas mit den kargen späten Stücken.

Kann man diese Bandbreite auch im Klavierkonzert Nr. 2 hören, das Sie heute und morgen im Nationaltheater spielen.
Es ein durchaus vielschichtiges Werk. Es gibt den dämonischen Aspekt – etwa in den sich wiederholenden Figuren der linken Hand, die später von den Celli und Kontrabässen aufgenommen werden. Andere Themen sind eher heroisch. Eines erinnert ein wenig an den Marsch in Tschaikowskys „Pathétique“. Der poetische Mittelteil ruft eher Erinnerungen an die „Anneés de pèlerinage“ wach. Das zweite Konzert ist weniger einheitlich wie das erste oder der Totentanz. Manches kollidiert. Es ist die Aufgabe des Solisten, diese Gegensätze zum Klingen zu bringen.

Das Konzert formuliert durch die Rahmung mit Zoltán Kodaly und Bartók eine These: Liszt ist ein ungarischer Komponist. Ist er das wirklich?
Schwer zu sagen. Sein Geburtsort Raiding liegt im Burgenland, das damals zur ungarischen Reichshälfte gehörte. Liszt konnte nur ein paar Worte ungarisch, setzte sich aber sehr für das Land ein. Er hat Stücke über ungarischen Volkslieder und Themen komponiert und wie Bartók auch Melodien gesammelt. Aber natürlich wurde er sehr stark von Italien und Frankreich geprägt. Es ist ähnlich wie bei Chopin: Der ist trotz Polonaisen und Mazurken kein rein polnischer Komponist. Vieles klingt doch sehr französisch. Beide sind große Europäer, denen Grenzen wenig bedeutet haben.

Auf Ihrer Mozart-CD spielen sie auf einem modernen Klavier, während sie das Orchester historisch informiert begleitet. Ist das ein Widerspruch?
Das sehe ich nicht so. Die Klangfarben passen gut zueinander. Ich habe mich viel mit Hammerflügeln beschäftigt und einen ganzen Nachmittag auf Mozarts eigenem Hammerflügel in Salzburg gespielt. Aber ich kann nicht nach 25 Jahren Klavier auf dieses Instrument umschalten, dessen Tasten schmäler sind. Der neutrale Klang des modernen Klaviers hat den Vorteil der Wandlungsfähigkeit: Es kann wie eine Pauke klingen oder eine Cello-Kantilene nachahmen. Auf diese Weise lassen sich auch Elemente des Hammerklaviers einbeziehen.

Wie kamen Sie zum Klavier?
Das ist keine dramatische Geschichte, und ich habe auch selbst keine Erinnerung daran. Meine Eltern erzählen, dass ich als Kind ständig an einem Spielzeugklavier saß und dem Klang nachgelauscht habe. Sie brachten mich zum Geigenunterricht, weil da die Möglichkeiten größer sind, mit anderen Kindern zusammen im Orchester zu spielen. Aber ich interessierte ich mich nicht für die Geige, sondern nur für das Klavier im Raum. Danach hat sich alles natürlich und ohne Krisen weiter ergeben.

Nationaltheater, heute und morgen, 20. und 21. November 2017, 20 Uhr, Restkarten an der Abendkasse und Telefon 2185 1920

 

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