Festival in Bayreuth: Fünf Stunden Barock mit Pausen und Verköstigung

Das neue Festival Bayreuth Baroque demonstriert vor 200 Besuchern bei der Oper "Carlo il Calvo"mit einem ausgefeilten Hygienekonzept zurückgewonnene Normalität.
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Blick in das Markgräfliche Opernhaus kurz vor Eröffnung des Bayreuth Baroque Opera Festivals
Blick in das Markgräfliche Opernhaus kurz vor Eröffnung des Bayreuth Baroque Opera Festivals © picture alliance/dpa

Bayreuth - Ein stärkeres Signal lässt sich kaum denken. Da werden im Corona-Jahr die berühmten Wagner-Festspiele frühzeitig komplett abgeblasen, prompt fällt im Spätsommer der Startschuss für ein neues Festival in Bayreuth. Neben Wagner soll künftig alljährlich bei "Bayreuth Baroque" Musik des 18. Jahrhunderts gespielt werden.

Als Hauptbühne fungiert das Markgräfliche Opernhaus. Nach der Eröffnung vor zwei Jahren durch die Bayerische Theaterakademie und einigen zaghaften Versuchen wird das frisch sanierte Welterbe-Barocktheater endlich würdig und stilgerecht bespielt.

""Carlo il Calvo": Allein die Besetzung lässt aufhorchen

Dafür steht schon allein der künstlerische Leiter Max Emanuel Cencic. Als Countertenor hat er die historische Aufführungspraxis im Opernbereich maßgeblich geprägt. Für die Eröffnung des neuen Festivals hat Cencic den Dreiakter "Carlo il Calvo" von Nicola Antonio Porpora ausgegraben. Es geht um mörderische Machtspiele, die den Thronfolger Karl den Kahlen verhindern wollen: bei Porpora noch ein Kind.

In normalen Zeiten sind derartige Wiederentdeckungen aus der überreichen neapolitanischen Barock-Oper keine Besonderheit, nicht aber inmitten der Corona-Pandemie. Allein die Besetzung lässt aufhorchen. Neben Cencic (als Lottario) sind mit Franco Fagioli (als dessen Sohn Adalgiso) sowie Bruno de Sá (als spanischer Fürst Berardo) zwei weitere Counter-Pioniere zu erleben. Dagegen ist die Sopranistin Julia Lezhneva, hier in der Partie der mit Adalgiso verlobten Gildippe, im Barock- und Klassik-Repertoire schon längst eine feste Größe.

Noch dazu wurde diese Oper-Aufführung nicht wie so häufig in Corona-Zeiten zusammengekürzt, sondern fast vollständig gegeben. Nur eine Arie einer Nebenrolle ist ganz gestrichen worden, eine andere gekürzt. Gleichzeitig wurden jedoch eine Einlage-Arie aus Porporas Oper "Ezio" sowie Umbaumusiken eingefügt.

Maximale Frischluft-Zufuhr am Fünf-Stunden-Opernabend

Sonst aber hat man lediglich die Rezitative gestrafft. Ein Abend von stolzen fünf Stunden ist das Ergebnis, überdies nicht konzertant, sondern von Cencic inszeniert und mit zwei Pausen samt Verköstigung. Zwar durften die Plätze im Markgräflichen Opernhaus nicht vollständig belegt werden, aber: Mit der Obergrenze von 200 statt den möglichen 500 Besuchern waren prozentual gerechnet mehr Besucher zugelassen als zuletzt 500 Menschen im riesigen Münchner Nationaltheater.

Um das zu ermöglichen, wurde von Bayreuth Baroque ein Hygiene-Konzept erarbeitet. Dabei profitiert das Festival von der 2018 abgeschlossenen Generalsanierung. Die Belüftungs- und Klimaanlage des Theaters ist auf dem allerneuesten Stand, weshalb ein vollumfänglicher Luftaustausch im Raum sichergestellt ist. Genau das wurde von Technikern eigens überprüft, samt dem Einsatz von Nebelmaschinen für den Luftabzug. Diese maximale Frischluft-Zufuhr hat den Fünf-Stunden-Opernabend überhaupt erst ermöglicht.

Zudem werden in den Pausen alle Türen weit offen gehalten. Die Pausen-Bewirtung selber erfolgt vor der Tür des Theaters. Im Gebäude gelten die üblichen Abstands- und Hygiene-Regeln. Das topmoderne Belüftungssystem gleicht dem in Flugzeugen, trotzdem durfte das Markgräfliche Opernhaus nicht voll besetzt werden. Die Kunst und Kultur hat eben keine starke Lobby wie eine Airline, und das ist auch der Szene selber geschuldet.

"Carlo il Calvo": Proben in Griechenland

Sie tritt nicht geschlossen auf, und schon gar nicht gehen die Veranstalter notfalls rechtlich gegen ihre eigenen öffentlichen Geldgeber vor. "Wir haben auf dem üblichen Dienstweg zu überzeugen versucht", sagt Clemens Lukas, Geschäftsführer von Bayreuth Baroque auf Nachfrage - ohne Erfolg. Und so müssen die Veranstalter in Corona-Zeiten weiterhin kräftig draufzahlen, auch bei Bayreuth Baroque. Dabei profitiert das neue Festival von Geldgebern, die kulant sind und nicht auf die vereinbarte Anteilsfinanzierung je nach Eigenleistung bestehen.

Sie wurden künstlerisch mit der Eröffnung kräftig entschädigt. Jedenfalls war, unter der Leitung von George Petrou am Pult von Armonia Atenea, ein veritables Sänger-Darstellerfest zu erleben. Mit dem Proben wurde bereits vor rund einem Monat in Griechenland begonnen. Das hat die Realisierung des Projekts zusätzlich gesichert, denn: Bislang ist Griechenland kein Risikogebiet.

Eines steht nach diesem bleibenden Opernabend fest: Die Corona-Pandemie ist keine neue Normalität, sondern ein Ausnahme-Zustand, der überwunden werden will und muss. In Bayreuth wurde ein Stück Normalität wieder zurückgewonnen - übrigens in Anwesenheit des Kunstministers Bernd Sibler.

Noch bis zum 13. September. Karten und Infos unter: www.bayreuthbaroque.de

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