Einshoch6 - Rappen für die Klassik
Im vergangenen Herbst brachte die Münchner Hip-Hop-Band Einshoch6 gemeinsam mit den Münchner Symphonikern das Album „Die Stadt springt“ heraus. Nach dem ausverkauften Konzert in der Philharmonie am Gasteig gibt es am kommenden Dienstag (19. Juli 2016) einen Nachschlag im Deutschen Theater. Der Musiker Jakob Haas spielt in beiden Formationen.
AZ: Herr Haas, als Sie 2006 bei Einshochs6 einstiegen, waren Hip-Hop und Klassik ein harter Gegensatz. Hat sich das geändert?
JAKOB HAAS: Das ist immer noch so. Aber ein Musikprojekt, wie wir es machen, ist heute nicht mehr ganz so ungewöhnlich
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Weil in den Symphonieorchestern jetzt selbst Musiker sitzen, die mit Hip-Hop sozialisiert worden sind?
Das ist natürlich ein großer Vorteil, denn grundsätzlich wollen die Orchester heute verstärkt jüngere Zielgruppen erreichen. Und dazu kooperieren sie auch mit Musikstilen, die junge Leute ansprechen. Ob das jetzt Hip-Hop ist oder elektronische Musik, es gibt inzwischen sehr unterschiedliche Crossover-Projekte.
Ist man im Kreis der Münchner Symphoniker ein Exot, wenn man sich so für Hip-Hop interessiert?
Bei den Münchner Symphonikern gibt es viele Musiker, die auch in anderen musikalischen Kreisen unterwegs sind. Aber dass jemand das auch mit einer gewissen Professionalität verfolgt, ist schon eher eine Seltenheit. Ich bin sehr stolz auf die Offenheit, die meine Kollegen unserem Projekt entgegenbringen. Aus der langen gemeinsamen Arbeit an unserem Album „Die Stadt springt“ und den dazugehörigen Musikvideos hat sich inzwischen eine echte Freundschaft zwischen Band und Orchester entwickelt.
Einshoch6 sind nicht irgendwelche Hip-Hopper, die kommen ja aus der Klassik.
Es gibt die drei klassischen Musiker in der Band. Das Klaviertrio und auch die Schlagzeuger sind studierte Musiker, zum Teil mit Orchestererfahrung. Trotzdem merken wir manchmal, wenn wir mit anderen Orchestern zusammenspielen, dass wir erst einmal beäugt werden. Wir müssen denen dann immer erst einmal beweisen, dass wir auch richtig gut sind. Das gilt auch für unsere Rapper, die in 12 Jahren Einshoch6 zu echten „Klassik trifft Hip-Hop“-Profis geworden sind.
Die Klassische Musik ist die schwierige, Hip-Hop die handwerklich einfachere Kunstform. Gilt das so für Sie, oder ist das ein Vorurteil?
Das sind einfach unterschiedliche Herangehensweisen. Wenn ich als Cellist im Orchester spiele, tickt mehr der Kopf. Wenn ich mit Einshoch6 auf der Bühne stehe, dann geht es mehr darum, die Sau rauszulassen: Da wird improvisiert, da geht es noch mehr um den Spaß an der Musik, da kann man sich fallenlassen und es genießen.
Wie reagieren eigentlich Klassikfans, die durch diese Konzerte zum ersten Mal mit Hip-Hop in Berührung kommen?
Wir bekommen reizendes Feedback von älteren Menschen, so nach dem Motto: „Wir sind seit 20 Jahren Abonnent, aber so viel Spaß hatten wir noch nie in einem Konzert.“ Die tanzen mit und gehen richtig ab, das motiviert unglaublich. Aber das Publikum ist wirklich bunt gemischt bei uns, von acht bis 88.
Einshoch6 spielt mit verschiedenen Klassikorchestern, warum?
Natürlich wäre es schön, wenn wir mit den Symphonikern auf Tournee gehen könnten. Aber wir werden auch von anderen Orchestern angefragt. Wir waren beim Philharmonischen Orchester in Freiburg, wir sind in Frankfurt mit der Deutschen Philharmonie Merck, wir treten mit dem Filmorchester Babelsberg in Potsdam auf. Und im August spielen wir das erste Mal mit einem Orchester in Russland.
Und jedes Mal beginnt das Zusammenspiel wieder bei Null?
Das ist anstrengend, macht aber unglaublich Spaß. Wir hatten im November ein Konzert mit den Brandenburger Symphonikern, die hatten die Videos aus der Philharmonie schon studiert, die waren richtig vorbereitet. Die wussten genau, welche Choreographien sie erwartet – der Flötist hatte sich schon für die Proben eine Baseballkappe organisiert. Das ist aber nicht immer so. Bei manchen Musikern muss man auch ein bisschen nachhelfen, um das Interesse für andere Stile zu wecken.
Einshoch6 ist inzwischen ein echter Exportschlager.
Ja, mit dem Projekt „Bandtagebuch“ der Deutschen Welle sind wir international unterwegs für Menschen, die in anderen Länder Deutsch lernen. Da waren wir in den letzten Jahren in 18 Ländern, von Südafrika bis Indonesien. Aber das bisher nur als Band, ohne großes Orchester.
Hat man eigentlich Street-Credibility als studierter Cellist, der in einem Klassikorchester spielt? Oder gilt man da in Hip-Hop-Kreisen als Streber?
Mit dieser Frage sind wir häufig konfrontiert, wir müssen uns auf beiden Seiten immer wieder beweisen. Aber ich denke schon, dass die Münchner Hip-Hop-Szene unsere Begeisterung spürt und anerkennt. Vielleicht sind wir nicht die coolsten unter den Hip-Hoppern, aber die wildesten Künstler unter den Klassikmusikern, das kompensiert es dann doch.
Sie wollen Klassik cooler machen?
Auf jeden Fall haben wir auch einen musikpädagogischen Aspekt in diesen Konzerten. Es gibt ja auch Stücke, die bei den gemeinsamen Konzerten nur das Orchester spielt, und da nehmen wir dann keine Klassik-Gassenhauer, sondern eher zeitgenössische, klassische Stücke. Die junge Generation, die sonst keinen Zugang zu dieser Art von Musik hat, merkt dann, wie toll sie in so einem Kontext funktioniert. Wenn man den richtigen Zugang schafft, dann kann diese Musik auch sehr begeisternd sein. Das ist uns schon ein Anliegen.
Deutsches Theater, 19. Juli, Beginn: 19.30 Uhr, Karten ab 25 Euro, Telefon: 55 23 44 44
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