Ein Hauch von Arbeitsverweigerung
Arbeitsverweigerung?
Zunächst denkt man, dass Daniil Trifonov das Klavierkonzert von George Gershwin, "Concerto in F" genannt, betont ungerührt angehen will. Er spielt erst nähmaschinenhaft pedantisch, damit nur ja kein Swing-Gefühl aufkommt, mit einem so unscheinbaren Ton, dass er als Solist neben der phantastisch klingenden Accademia di Santa Cecilia Roma fast verblasst.
Doch dann häufen sich weggelassene Akzente, der Anschlag des Pianisten wird immer traniger, die vollgriffigen Passagen, die mehr von Tschaikowsky haben als von Jazz, drückt er lustlos weg, anstatt sie mit Aplomb in die Isarphilharmonie zu schicken. Nicht einmal der Trompeter, der ein fabelhaft freies Solo hinlegt, weckt Trifonov aus seiner Lethargie: Kein einziges Mal reagiert er auf das Orchester, auch den Dirigenten Jakub Hruša würdigt er keines Blickes.
Gershwin ernst nehmen
Vielleicht ist da etwas vorgefallen. Doch selbst, wenn ihm eine Laus über die Leber gelaufen ist: Was Trifonov hier abliefert, grenzt an Arbeitsverweigerung. Gerade bei diesem Gastspiel ist er von Musikerinnen und Musikern umgeben, die hörbar Spaß an dieser Musik haben und kurz zuvor schon in Gershwins "Cuban Overture" mit einer fulminanten Schlagzeuggruppe einen echten Kontakt mit dem Publikum herstellen konnten. Dieser Rhythmus geht ins Blut.
Gleichwohl nimmt Jakub Hruša, ähnlich, wie das Leonard Bernstein tat, Gershwin als symphonischen Komponisten ernst. In der kubanischen Ouvertüre leistet er sich am Schluss zwar einen Luftsprung, doch ansonsten dirigiert der gebürtige Tscheche ausschließlich für das Orchester, gibt einen quasi intuitiv abnehmbaren Puls vor, musiziert mit eleganten Bewegungen mit, zeigt vor jedem Einsatz anschaulich an, welchen Charakter die nächste Phrase annehmen soll.
Pures Gold
Die Accademia di Santa Cecilia Roma würdigt die Fürsorge mit einer genau organisierten, transparenten, dabei lebhaften Totale. Die Streicher stimmen zusammen, als ob sie einen einzigen, riesigen Bogen führen würden, die Holzbläser sind so ausbalanciert, dass auch Flöte und Fagott durchgehend wahrnehmbar sind.
In den "Symphonischen Tänzen" von Sergej Rachmaninow singt der Altsaxophonist eine berückende Solo-Elegie, die römischen Trompeten tönen frech, die Posaunen weich und die Tuba agil. Und kaum ein Dirigent hat in all den vielen Aufführungen dieses Werkes so überzeugend aufgedeckt, dass Rachmaninows suggestive Motorik noch einmal enorm an Wirkung gewinnt, wenn das Tempo spannungsvoll zurückgehalten wird. Es scheint einfach kein Repertoire zu geben, das Jakub Hruša nicht in pures Gold verwandeln würde.
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