Ein Gegenentwurf zur großen Gelassenheit
"Geht doch!", möchte man dem Orchester der Stadt ein Lieblingswort des vormaligen Chefdirigenten Christian Thielemann zurufen. Fürwahr, die Münchner Philharmoniker können leise spielen, und sich nicht nur im lauwarmen Mezzoforte bequem einrichten. Wenn sie denn mögen.
Der Anfang von Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 wirkte da gleich viel spannungsvoller und reicher. Der Dirigent Alan Gilbert schärfte die Gegensätze, und der oft einem Musikautomaten gleichende Perfektionspianist Pianist Yefim Bronfman spielte spontaner und kommunizierte im Largo schön mit den Flöten. Auch der Satzschluss wirkte besonders ausgefeilt. Schade, dass (wieder einmal) die Zugabe ein Musikrätsel blieb, das wir mit philharmonischer Hilfe gern auflösen: Bronfman spielte Chopins Etüde Nr. 8 aus op. 10.
In der Symphonie Nr. 4, der „Romantischen“ von Anton Bruckner, riskierte Gilbert einen Gegenentwurf zur in München bei diesem Komponisten vorherrschenden Altherren-Gelassenheit. Der Chef der New Yorker Philharmoniker bewegte sich nicht elegant zu Resten einer Thielemann-Interpretation, sondern zielte in vielerlei Hinsicht auf das Gegenteil: eine pralle, kraftstrotzend-schmetternden Musik des Lebens, gespielt mit klanglicher Trennschärfe.
Gilbert hat den hier unerlässlichen Sinn für Steigerungen und Zwischentöne. Die ungewöhnlichen Tempo-Modifikationen im Finale fielen nicht recht auf, weil er schon im Kopfsatz bei jeder lauteren Stelle beschleunigte. Ein wenig störte auch der blechlastige Klang, hervorgerufen durch die um je einen Mann verstärkten Trompeten und Posaunen, und auch das Andante blieb etwas umkonturiert. Trotzdem: Bei Bruckner hat dieser bemerkenswerte Dirigent offenbar etwas zu sagen.