Die Toten Hosen: Drei Jahrzehnte Anarchie

Eine Dokumentation über die Toten Hosen erzählt „Nichts als die Wahrheit“
Christian Jooß |
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"Wie kann man denn als wohlhabender, älterer Musiker noch ernsthaft behaupten, dass man Punk ist?“ fragt Ärzte-Mann Farin Urlaub. Campino und die Jungs sehen das anders, auch wenn Kuddel zugibt, man tue sich schwer, über Erfolg zu reden. „Nichts als die Wahrheit“. 30 Jahre die Toten Hosen“ heißt die Dokumentation von Eric Fiedler, die erzählt, wie aus einer bundesdeutschen Katastrophenkapelle ein Massenmainstream-Phänomen wurde.

Mit Plakatkleberjobs kam man gerade so durch, und Teile der Bandanlage standen auch kurz vor dem Verkauf. Die farbverschlissenen Aufnahmen im Bandbus, wo man sich gröhlend über das Koks hermacht, während ein heutiger Campino von einer Parallelwelt erzählt, in der man gemeinsam dicht ist, zeigen ein gruppendynamisches Selbstzerstörungsritual. Heute legt Kuddel mit schwarzer Hornbrille die Liste seiner Drogen offen: eigentlich alles außer Heroin und Crack.

Bei einer der „Blauen Stunden“ sind die Kameras dabei, regelmäßige Strategiemeetings, in denen Band und Management ihre Medienauftritte besprechen. In diesem Fall wird das Angebot einer Teilnahme an RTLs „Ultimativer Chartshow“ vom Tisch gefegt. Wer als Journalist mit den Hosen zu tun hat, weiß, dass diese Gruppe ihr Image ungern aus der Hand gibt und aus Pressesicht zur Überregulierung neigt. Insofern ist diese Doku, die den Hosen nicht die Möglichkeit der Endabnahme gab, durchaus ein bewusst eingegangenes Risiko.

Ex-Produzent John Cafferty, der die Hosen auch nicht mehr als Punks sieht, bescheinigt ihnen wenig naturgegebenes Talent und Campino einen deutlichen Führungsanspruch. Campinos Schwester fand vieles in der langen Karriere zu seicht. Und wie die Band damit umging, dass Kuddels Freundin schwanger war, ist auch nicht der Stoff, aus dem Helden sind.

Punk aber ist immer noch der Kunst gewordene Ausrutscher. Den versuchen die Hosen, anders als die Ärzte, immer noch ehrenwert mit chaotisierten Touren zu schaffen, wie der, bei der sie ganz zu Anfang des Films im Klinikum Ingolstadt aufschlagen, um in formschönen Krankenhausbetten zu nächtigen. Warum so eine kritisch gelungene Dokumentation Samstagnacht für einsame Herzen und Menschen mit Schlafstörung gesendet wird, muss man nicht verstehen.

ARD, Samstag, 23.40 Uhr

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