Die Macht der Sachlichkeit
Manchmal ereignen sich die schönsten Momente eines Konzerts dann, wenn niemand damit rechnet. Als Zugabe spielte Sol Gabetta zusammen mit der Cello-Gruppe der Philharmoniker die Casals-Bearbeitung des katalanischen Volksliedes „El Cant dels Ocells.“ Und dieser Gesang der Vögel, wunderbar zart und empfindsam nachempfunden, war von einer Eindringlichkeit, die man dem ganzen Abend im Gasteig gewünscht hätte.
Doch US-Dirigent David Zinman liebt es, die großen Gefühle zu verstecken. In Schuberts später C-Dur-Symphonie schien er es geradezu pingelig darauf angelegt zu haben, jeglichen Anschein einer romantischen Geste zu vermeiden. Das Orchester durfte sich darauf zurückziehen, den Notentext akkurat zu präsentieren. Es ereignete sich nichts – das aber mit Nachdruck.
Das zweite Hauptwerk des Abends, Edward Elgars 1919 komponiertes Cellokonzert, ist einst das Paradestück der unvergessenen Jacqueline du Pré gewesen. Für manchen Zuhörer im Gasteig mag Sol Gabetta die waghalsige Vermutung bestätigt haben, dass dieses Werk jungen Musikerinnen vorbehalten sei: Die Zurückhaltung, die sich die argentinische Cellistin auferlegte, kam der Musik, die es sich zwischen elegischer Stille und knalligem Pomp behaglich gemacht hat, hörbar zugute. Effekthascherei war den markanten Orchester-Einwürfen vorbehalten. David Zinman blieb sich auch hier treu. Sachlichkeit statt protziger Jugendstil - Posen, für Elgar das richtige Rezept. Schubert allerdings hätte erheblich mehr Engagement verdient gehabt. Vor allem Sol Gabetta, deren Münchner Fan-Gemeinde ständig zu wachsen scheint, wurde mächtig bejubelt.