Die Frechheit hat jetzt Glanz

Übermorgen, Freitag, beginnt die Konzertreihe „Musik im Originalklang“ mit Giuliano Carmignola und der Lautten Compagney aus Berlin. Es folgen in der Saison vier weitere mit Stars der Alten Musik (siehe termine am Ende). An der Münchner Musikhochschule ist Christine Schornsheim Professorin für Originalklang und Cembalo.
Adrian Prechtel |
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Übermorgen, Freitag, beginnt die Konzertreihe „Musik im Originalklang“ mit Giuliano Carmignola und der Lautten Compagney aus Berlin. Es folgen in der Saison vier weitere mit Stars der Alten Musik (siehe Termine am Ende). An der Münchner Musikhochschule ist Christine Schornsheim Professorin für Originalklang und Cembalo.

AZ: Frau Schornsheim, Originalklang-Verächter sagen: Jeder Komponist der Vergangenheit hätte doch immer die bestmöglichen Möglichkeiten genutzt, wenn es sie schon gegeben hätte! Warum sollte man ihn also heute auf alten Instrumenten in kleiner Besetzung spielen?

CHRISTINE SCHORNSHEIM: „Bestmöglich“ – ich mag den Begriff nicht. „Bestmöglich“ waren für Bach halt das Cembalo, Clavicord oder die Orgeln seiner Zeit. Hätte er einen Steinway-Flügel gekannt, hätte er auch genau dafür komponiert, aber eben etwas anderes. Also ist es sinnvoll, Musik auf Instrumenten zu spielen, für die sie komponiert wurde. Und „heutige“ Möglichkeiten sind auch nicht von sich aus „besser“ als die damaligen.

Aber Beethoven wollte doch immer mehr Volumen, als die Instrumente hergaben.

Aber da wurde ja dann auch in seiner Zeit das Klavier weiterentwickelt.

Sie selbst haben Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ auf einem Cembalo eingespielt.

Ja, und es ist weder deutsch, sondern flämisch, noch aus Bachs Zeit, sondern von 1624. Aber das Instument hat einen so schönen Klang, dass es über die Schwierigkeiten des Werkes fast zauberhaft hinweghilft. Bach wollte zwei Dinge von einem Cembalo: Es sollte „singen“, statt trocken klingen, und „Klarheit“ haben, um das komplizierte Geflecht seiner Kompositionen zur Geltung zu bringen.

Die Originalklangbewegung gibt es seit 50 Jahren. Sieht man heute Dinge anders, hat man „Fehler“ gemacht?

Fehler? Nein, aber ich vergleiche das mal mit den „Grünen“. Die mussten anfangs übertreiben, um etwas zu verändern. Und heute enthält ihr Programm nur noch Rudimente der alten Radikalität. Die Originalklangler waren Pioniere und Autodidakten. Man konnte diese Richtung ja noch nicht studieren, die nachgebauten Instrumente waren schlechter, die wenigen Musiker, die das machten, waren nicht dafür ausgebildet. Es war wild, frech, neu, aber natürlich dadurch weniger perfekt.

Das klang dann auch oft erdig, kratzig, quietschend.

Ja, und heute gibt es in historischer Aufführungspraxis halt auch Hochglanz-Klassik.

In der Originalklang-Konzertreihe gibt es auch viele Gesangskonzerte. Aber die menschliche Stimme klang doch über die Jahrhunderte hinweg immer gleich.

Wirklich? Wenn Jungen erst mit 16 oder 17 Jahren in den Stimmbruch kamen? Und es gab Kastraten, die auf den Opernbühnen standen.

Was passt also zur Alten Musik gesanglich?

Anfangs bevorzugte die Originalklangbewegung kleine, vibratolose Stimmen. Heute treten auch Opernstars mit viel Volumen mit Barockensembles auf. Aber ich erinnere mich noch an einen Bach-Wettbewerb, Leipzig Ende der 80er Jahre. Da gab es verschiedene Fächer, Frauen- und Männerstimmen waren getrennt. Nur hatte sich auch Derek Lee Ragin aus den USA angemeldet und der war Countertenor. Da waren die damals noch überfordert, wie sie ihn einordnen sollten. Er hat dann einfach einen Spezialpreis bekommen.

Welche Fragen sind heute noch unerforscht?

Es geht oft gar nicht so darum, wie erforscht etwas ist. Aber es gibt lustige Aspekte. Zum Beispiel: Ein Instrumentenbauer soll ein altes Instrument nachbauen – ein Cembalo. Das Vorbild wird untersucht, vermessen, geröntgt, gezeichnet. Dabei wird ein Konstruktionsmangel festgestellt, ein „Fehler“ am Instrument. Soll man den nun nachbauen oder korrigieren? Sie sehen: Die Alte Musik bleibt ein Thema mit Variationen.

Am Freitag, 22.11.,, Herkulessaal der Residenz München, 20 Uhr: Giuliano Carmignola - Feuriger Bach in  “Musik im Originalklang”, Lautten Compagney Berlin, Giuliano Carmignola, Violine, Wolfgang Katschner, Leitung

 

 

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