Die Fantastischen Vier begeistern München
Gar nicht so einfach, auf dem Boden zu bleiben, wenn man schon 25 Jahre lang als deutsche Hip-Hop-Band besteht, so erfolgreich, dass man gleich zweimal die Olympiahalle füllt. Dem Pomp der US-Rapper haben die Fantastischen Vier stets Ironie entgegengesetzt. Aber schwäbische Bescheidenheit wäre – was geht?! – angesichts eines Jubiläums bestimmt falsch.
Kein Wunder also, dass Fanta4-Soundtüftler Andy Ypsilon und fünf Begleit-Instrumentalisten am Anfang episch-dunkel die „Vierte Dimension“ öffnen, feuerrote Linien über die Leinwände und einen riesigen LED-Würfel flackern. Nebelwabern, der Würfel wird hochgezogen. Dahinter: nichts. Sie sind weg und wir sind allein, allein?
Nicht ganz. Im hinteren Teil der Halle steigen Smudo, Thomas D. und Deejot Hausmarke auf ein Podest und stimmen ihre Jubiläumshymne „25“ an, ihre aufgepimpte Variante des The-Catch-Klassikers. Jubel, Konfetti-Regen, knallende Pyrotechnik. „Die Legenden sind hier“, singen sie, gar nicht abgehoben, sondern mit Mitte Vierzig mitten im Leben, mitten unter den Fans, deren Gratulationen sie hautnah entgegennehmen, während sie sich auf die Hauptbühne vorkämpfen.
An die Vergangenheit können die Stuttgarter sich durchaus erinnern, an einen Auftritt im alten Backstage zum Beispiel. Lang, lang ist’s her. Größer ist alles geworden, aber man hat den Eindruck, dass die Zeit wenig Spuren bei ihnen hinterlassen hat, die Energie ungebremst. Wie junge Rehe hüpfen sie, kein Förster in Sicht. Und auch die Songs des neuen Albums „Rekord“ klingen live frisch.
Pathos darf sein
Die neue Singleauskopplung „Und Los“ reißt im Clubbeat mit, die Unermüdlichen verbreiten Aufbruchsstimmung im Bewusstsein unsicherer Zeiten: „Wir woll’n ne Revolution oder ne schnelle Million, im Moment fehlt die Vision, doch irgendwas findet sich schon!“ In 25 Jahren hat sich bei den Fanta 4 immer wieder was gefunden. Zuletzt saßen Smudo und Hausmarke in der Jury von „The Voice of Germany“, weswegen einige Konzerte verschoben werden mussten. Jetzt sind die Stuttgarter aber da, zeigen sich vielseitig, auch im Sound, der ständig in andere Genres hineinfließt.
„Are you ready to rock?“, rufen sie, und tatsächlich endet „Ernten, was wir säen“ mit einem messerscharfem Rock-Gitarren-Solo, das genauso umjubelt wird wie der „Real Old School Shit“: Songs wie „Buenos Dias Messias“, die mit ihren harten Beats nicht gerade mainstreamig klingen. Zwei Schlagzeuger und Andys Samples stanzen den Rhythmus vor, auf den die Rampensäue ihren Sprechgesang legen. Brüderlich verteilt, wenn Thomas D. nicht gerade allein einen „Liebesbrief“ abschickt oder, mit Fingerzeig nach oben, „Gott ist mein Zeuge“ schwört. Pathos darf sein.
Und Zuschaueranimation sowieso. Bei „Sie ist weg“ schleudert das Publikum das „weg!“ so lauthals zurück, dass man meinen könnte, hier werden sämtliche Trennungsschmerzen Münchens therapeutisch wertvoll herausgebrüllt. In der Single-Hauptstadt kommt natürlich auch ein Lied wie „Single“ gut an. Dabei fahren auf der Bühne güldene Wände herab, vielleicht, um an 19 Goldene Schallplatten zu erinnern, welche sich im Lauf von 25 Jahren angesammelt haben. „Danke“ können die Jubilare da nur an 10 000 Fans funken und ein mitreißendes zweistündiges Konzert mit „Troy“ beenden. Treue ist allen gewiss. Und da in der Masse auch Kleinkinder auf den Rücken ihrer Eltern mitwippen, braucht man sich auch über fantastischen Fan-Zuwachs keine Sorgen zu machen.
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