Die erste weibliche Opernkomponistin

Die Geschichte der verführerischen Zauberin Alcina war ein beliebter barocker Opernstoff. Am bekanntesten ist heute Georg Friedrich Händels Vertonung. Genau 110 Jahre davor entstand in Florenz die erste Alcina-Oper: „La liberazione di Ruggiero dall’isola d’Alcina“ von Francesca Caccini (1587– 1640). Sie ist zugleich die erste Oper, die von einer Frau komponiert wurde. Paul van Nevel leitet heute eine konzertante Aufführung mit dem Huelgas-Ensemble im Herkulessaal.
AZ: Herr van Nevel, wer war Francesca Caccini?
PAUL VAN NEVEL: Claudio Monteverdi hat ihre Vokalkunst gepriesen. Sie war eine sehr gute Sängerin. Francesca Caccini wuchs in einem sehr musikalischen Milieu auf: Giulio Caccini war ihr Vater. Er gilt als Erfinder der Monodie, einem neuartigen solistischen Gesang, der dem Wort und Textsinn diente. Seine „Euridice“ war eine der ersten Opern.
Für welchen Anlass wurde die Oper komponiert?
Anlass war der Besuch des polnischen Prinzen Wladislaw Sigismund in Florenz. Der Auftrag kam von Maria Magdalena von Österreich, der Regentin des Großherzogtums Toscana. Sie war eine sehr selbstbewusste Frau, fast eine frühe Feministin. Die Oper wurde am 2. Februar 1625 im Komödiensaal der Villa Poggio Imperiale in Florenz vor der toskanischen Aristokratie aufgeführt. Noch im gleichen Jahr wurde das Werk gedruckt, und auch in Polen folgte bald eine weitere Aufführung.
Was hat Francesca Caccini außer „Alcina“ komponiert?
Sie hat zwei Sammlungen mit Madrigalen hinterlassen. „Alcina“ ist ihre einzige erhaltene Oper, die übrigen Werke sind verloren.
Wenn man es nicht wüsste, woran könnte man erkennen, dass diese Oper von einer Frau komponiert wurde?
Francesca Caccini setzt die Tonarten zur Charakterisierung der Figuren ein. Wenn sich die Handlung zuspitzt, wird die Musik sehr chromatisch. Das Werk wurde von einem sehr sensiblen Menschen komponiert.
Muss man diese Musik vor einer Aufführung einrichten?
Die Partitur besteht aus ausgeschriebenen Instrumentalsätzen und Gesangspartien mit einem bezifferten Bass. Ich habe den Figuren bestimmte Instrumentalfarben zugeteilt. In unserer Aufführung spielen drei Posaunen, vier Blockflöten, vier Streicher, eine Lirone, ein Kontrabass, Virginal, und etwas Schlagzeug. Francesca Caccini hatte eine größere Besetzung zur Verfügung – aber wir sind leider nicht so reich wie die Medici.
Wie setzt sich Ihr Huelgas-Ensemble zusammen?
Etwa Dreiviertel unserer Projekte beschäftigen sich mit unbegleiteter A-Cappella-Musik. Aber wir sind kein Chor, sondern ein Ensemble aus Solisten, das eine gemeinsame Art des Musizierens vereint. Alle Solo-Partien werden von langjährigen Mitgliedern des Ensembles gesungen. Die Instrumentalisten sind ebenfalls eines feste Gruppe: immer die gleichen Leute, die aber natürlich auch mit anderen Ensembles spielen.
Sie haben auf Fotos oft eine Zigarre im Mund. Sind Sie da kein schlechtes Vorbild für Sänger?
Zigarren sind keine Zigarretten! Das ist ein ganz wichtiger Unterschied. Bei Verdi und Wagner könnte das ein Problem werden, bei Alter Musik nicht. Alle meine Tenöre und Bässe rauchen. Sie trinken übrigens auch.
Herkulessaal, 1. Februar 2016, 20 Uhr. Einführung ab 19 Uhr, Karten zu 38 bis 75 Euro an der Abendkasse