Die Donau ohne Fluss
Wer kann schon widerstehen, wenn 90 Fernsehstationen und Millionen Zuschauer dabei sind? Ein wenig Eitelkeit und Show dürfen sein. Auch Daniel Barenboim, der diesmal im Neujahrskonzert die Wiener Philharmoniker dirigierte, macht da keine Ausnahme. Gelegentlich hörte er nur zu und schaute die Musiker an. Die mögen zwar mit dem Dreivierteltakt so vertraut sein wie kein zweites Orchester – aber vor allem in den unbekannten Stücken hätte eine führende Hand gut getan.
Manchmal änderte Barenboim die Tempi innerhalb eines Stücks auf geradezu groteske Weise („Seid’ umschlungen, Millionen“). Willkürliche Langsamkeit („Egyptischer Marsch“) und drastisch verhetzte Schluss-Takte lösten einander ab. Barenboim dirigierte auswendig – auch die Werke, die für ihn neu waren. Warum keine Noten?
Weil 2014 ein Richard- Strauss-Jahr ist, erklang dessen Mondscheinmusik aus der Oper „Capriccio“. Danach konnten die TV-Konsumenten die Einfälle der Modeschöpferin Vivienne Westwood bewundern, die sich für die Ballett-Zuspielungen aus dem Wiener Stadtpalais Liechtenstein Taft und Tüll zum Walzer und keckes Schotten-Karo zur Polka ausgedacht hatte.
Auch in der Zielgeraden, etwa beim „Donau“-Walzer, irritierte die offenkundige Abneigung des Dirigenten, der Musik ihren natürlichen Fluss zu belassen.
Barenboims vorhersehbare Manierismen dürften bei einigen Zusehern mit fortschreitender Dauer Ermüdungserscheinungen ausgelöst haben. Das Neujahrskonzert 2015 wird wieder Zubin Mehta leiten – nur ja keine Experimente!
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