Kritik

Diana Damrau und der patente Umgang mit Husten

Bei ihrem Festspiel-Liederabend im Nationaltheater bewältigt die Sopranistin souverän eine leichte Indisposition und singt Lieder in vier Sprachen
Michael Bastian Weiß |
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Die Sopranistin Diana Damrau.
Die Sopranistin Diana Damrau. © picture alliance/dpa/Jiyang Chen/Diana Damrau

Gerade ist die schöne Stimme auf einem Höhepunkt verglüht, da muss sich Diana Damrau auf der Bühne des Nationaltheaters umdrehen und wird von einem kurzen, aber bösen Husten geschüttelt. So etwas kommt bei Sängern schon einmal vor, zumal bei wechselhaftem Wetter, und manche Kollegin hätte sich wohl zu Beginn vorsorglich vom Intendanten entschuldigen lassen. Nicht aber die Diamrau: Als das Husten noch ein paar Mal wiederkommt, schiebt sie die Unpässlichkeit mit den an das besorgt raunende Publikum gerichteten Worten „Ach, das geht schon wieder weg!“ einfach beiseite: Wehleidig sollen andere sein.

Nicht nur dieser patente Umgang mit der Indisposition beeindruckt. Greifbar wird gerade bei diesem Liederabend die belastbare Technik der Sopranistin. In dem darauf folgenden Lied „Stornellatrice“ von Ottorino Respighi geht sie gerade nicht auf Sicherheit, sondern nimmt die Stimme mit makelloser Stütze in ein immaterielles Schweben im Piano zurück.

„Stornello“ von Giuseppe Verdi singt sie mit der attraktiven Verschmitztheit, zu der nur Diana Damrau fähig ist, und lässt das Kleinod in einem übermütigen Kichern explodieren. Und den eigentlich sonst von den Tenören beanspruchten Schlager „Mattinata“ von Ruggiero Leoncavallo schmettert sie so sorglos, wie es ihren männlichen Artgenossen alle Ehre machen würde.

Authentische Einfachheit

Auffällig ist allerdings auch, dass das Husten fast vollständig auf den Programmabschnitt mit italienischen Liedern beschränkt bleibt. Ein Zeichen dafür, dass Diana Damrau dieses Repertoire, gehalten in einer hellen und trockenen Sprache, einen Tick weniger liegt als etwa das französische?

Auf jeden Fall fließen ihr „Mandoline“ und „Apparation“ von Claude Debussy leichter aus der Kehle, und in den drei „Mélodies“ von Henri Duparc spinnt sie, wunderbare Ruhe ausstrahlend, schier unendliche lange Gesangs-Fäden. Es tut gut, Diana Damrau, die Frau für das soubrettenhafte Reizen, Girren und Tändeln, in den entzückenden „Madrigales amatorios“ von Joaquin Rodrigo einmal in höchstkonzentrierter, kunstvoller, vollendet authentischer Einfachheit zu erleben.

Am besten, wenn sie leise ist

Und das deutsche Repertoire, mit dem dieser Liederabend beginnt? Hier kommt Diana Damrau ein hörbarer Qualitätsunterschied in den ausgewählten Stücken in die Quere. Auch, wenn sie nach derzeit herrschender Mode gerne in einem Atemzug genannt werden: Die Werke von Robert Schumann und seiner Frau Clara sind nicht im Ansatz vergleichbar. Nach dem Lied der Philine aus Schumanns Wilhelm-Meister-Zyklus op. 98a muten wirken die gleich vier Beiträge von Clara an wie ein Rückfall in die Stilistik des frühen Franz Schubert.

Das wirkt sich auch auf die Begleitung aus: Helmut Deutsch hat hier kaum etwas zu tun, agiert noch zurückhaltender als sonst, beschränkt sich nur darauf, seiner Sängerin zu folgen. Erst in Robert Schumanns „Widmung“ ist er wieder gefordert und meldet sich mit rhythmisch bestimmtem Klavierspiel zurück.

Dass Diana Damrau im Übrigen mitnichten gewillt ist, einer etwaigen Indisponiertheit nachzugeben, zeigt sie in gleich vier Zugaben, die das Publikum von den Sitzen springen lassen: darunter die „Zueignung“ aus den „Letzten Blättern“ von Richard Strauss und der anrührend andächtig gesungene Hymnus „An die Musik“ von Franz Schubert. Diese Sängerin ist mit am besten, wenn sie leise und ernste Töne anstimmt.

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