Der Weichzeichner
Beim „Va pensiero” ließ er die Hände sinken und dirigierte nur noch mit den Augen. Riccardo Muti, der Kontrollfreak unter den Verdi-Dirigenten, setzt auch so durch, was er will: Das Wort „Patria” wurde gewaltig, aber sofort wieder abschwellenden betont. Und bei der Wiederkehr der Melodie stach die klagende Schmerzensmusik ins Ohr, ehe wie üblich die letzte Note lange unbegleitet verhallte.
Dann brach, natürlich, donnernder Applaus bei der Aufführung von Verdis „Nabucco” im Salzburger Großen Festspielhaus los. Der Neapolitaner hatte den Chor und das Orchester der Oper Rom ganz auf den typischen warmen Muti-Klang getrimmt. Nur der schnelle Teil von Nabuccos Arie krachte und knallte wie in der der furiosen Erler Aufführung unter Gustav Kuhn vom Januar. Sonst blickte Muti durch den Weichzeichner auf das feurige Frühwerk aus dem Jahr 1842.
Die Römer nahmen durch einen schlanken, seidigen Streicherklang und brillante, gesanglich agierende Bläser für sich ein. Auch die kraftvollen Chöre (Einstudierung: Roberto Gabbiani) waren eine Wucht. Leider musste sich Tatjana Serjan krankheitshalber als Abigaille von Anna Pirozzi vertreten lassen, die diese wegen ihrer Koloraturhochdramatik mörderische Extrempartie anständig, aber ohne das hier eigentlich unabdingbare Furioso sang.
Der in München zuletzt als Simon Boccanegra zu hörende Serbe Zeljko Lucic gilt – kaum zu Unrecht – als derzeit bester Verdi-Bariton. Er war auch hier großartig in dem Momenten des Leids und der Melancholie, doch wütenden Zorn muss er seiner eher weichen Stimme immer abringen. Trotzdem: Nabuccos große Arie dürfte kaum jemand besser singen.
Ähnlich gut der Ukrainer Dmitry Belosselskiy als Zaccaria: ein tiefschwarzer, sehr beweglicher Bass. Die kleine Rolle der Fenena war mit Sonia Ganassi luxuriös besetzt. Den Tenor hat Verdi in dieser Oper vernachlässigt, doch der schon in „Giovanna d’Arco” auffallend gute Francesco Meli holte mit seinem metallisch hellen Tenor das Maximale aus der undankbaren Rolle des Isamaele heraus.
In szenischen „Nabuccos” ist es unvermeidlich, dass die Sänger unfreiwillig komisch herumzustehen und mit den Händen ringen. Und weil auch musikalisch fast alles stimmte, vermisste man die Bühne in dieser Aufführung keine Sekunde.
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