Das Tonhalle-Orchester Zürich unter Lionel Bringuier - die AZ-Kritik

Yuja Wang und das Tonhalle-Orchester Zürich mit Rachmaninow und den "Bildern einer Ausstellung" im Gasteig
Robert Braunmüller |
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Verspielt und virtuos: Yuja Wang und das Tonhalle-Orchester Zürich mit Rachmaninow und den "Bildern einer Ausstellung" im Gasteig

So wie die junge Chinesin auf dem Podium erscheint, im geschlitzten rückenfreien Kleid, braucht sie eigentlich gar keine Musik mehr zu machen. Und gleich drängt sich die Frage auf: Ist es möglich, mit 15 cm hohen Stiletto-Absätzen Klavier zu spielen? Auto fahren dürfte man mit ihnen kaum.

Doch, es geht. Sogar sehr gut. Yuja Wang beginnt das Klavierkonzert Nr. 3 von Sergej Rachmaninow. Doch ohne Donner, ganz leise, nachdenklich und zurückhaltend. So wie es eigentlich in den Noten steht. Aber kaum jemand liest es.

Bald verblassen die weiblichen Reize und man hört nur noch hin, wie diese famose Pianistin spielt. Sie interpretiert Rachmaninows Reißer, als wäre von Schumann, unter besonderer Berücksichtigung der romantischen Abschweifungen, von Irr- und Nebenwegen.

Das wirkte anfangs gewollt, ein wenig gekünstelt. Aber es rundet sich, weil das Tonhalle-Orchester Zürich die Pianistin mit gleicher Entdeckungsfreude begleitet. Der junge französische Dirigent Lionel Bringuier holt viele Details der Instrumentierung heraus, die normalerweise im dicken Klang untergehen.

Ein Glücksgriff

Kraftstellen nimmt Yuja Wang eher perkussiv und zugleich mit einer atemberaubenden, glitzernden, mühelosen Verspieltheit. Es ist eine ungewöhnlich reflektierte Aufführung dieses Konzerts mit hart gegeneinander gesetzten Kontrasten, die zugleich zirzensische Gelüste befriedigt, die bei Rachmaninows Nr. 3 einfach dazu gehören.

Drei Zugaben folgen: ein Walzer von Chopin, eine Melodie von Gluck und die fingerbrechende Bearbeitung eines Tanzes aus Bizets „Carmen“. Nach der Pause beweist das Orchester aus Zürich bei den „Bildern einer Ausstellung“ seine enorme Virtuosität. Sein Blech ist ausgezeichnet, ohne zu dröhnen, die Holzbläser spielen unforciert, und der Klang der Streicher tönt reich und warm.

Bringuier betont mehr den französischen Anteil Maurice Ravels als die russische Substanz Modest Mussorgskys. Scherzando-Passagen wie der „Markt von Limoges“ kommen brillant, und der alte Karren donnert nicht wie eine Panzerkompanie. Im „Großen Tor von Kiew“ beweist der Dirigent einen langen Atem.

So wie es aussieht, hat das Tonhalle-Orchester bei der Wahl seines neuen Chefdirigenten einen echten Glücksgriff getan.

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