"Das Publikum zu unterhalten, ist doch eine Kernaufgabe des Theaters"
Die Bayreuther Festspiele haben für die Eröffnungs-Premiere in diesem Jahr einen Musical-Experten auf den Grünen Hügel geholt: Regisseur Matthias Davids inszeniert die „Meistersinger von Nürnberg“, Wagners einzige „komische Oper“. Und das nimmt Davids wörtlich, wie er im Interview sagt.
AZ: Herr Davids, wie gehen Sie ran an Wagners „Meistersinger“?
Matthias Davids: Mein Hauptansatz ist die Frage: Darf man bei Wagner auch lachen? Die Meistersinger sind ja als komische Oper tituliert, und wir untersuchen die Form der Komik, die in dieser Oper steckt. Mir geht es nicht darum, die gesamte Rezeptionsgeschichte in die Inszenierung zu packen, sondern den Humor hervorzuheben, von dem unglaublich viel im Werk zu finden ist. Wir suchen die Leichtigkeit in den Meistersingern - auch in der Figur des Hans Sachs, der oft als melancholischer Grübler und Welterklärer daherkommt. Der Mann hat auch seine leichten Momente - und seine lustigen.
Das klingt nach einem komplett anderen Ansatz als dem von Barrie Kosky, der die letzte Meistersinger-Inszenierung auf die Bühne gebracht hat.
Barrie Kosky hat sich in seiner Inszenierung sehr intensiv mit dem Thema Antisemitismus und Wagner befasst. Jetzt sehe ich den Zeitpunkt gekommen, zum komödiantischen Inhalt des Stücks zurückzukehren. Es ist ja immer die Frage: Wie viel Konzept stülpt man einem Werk über, und verschüttet man damit die Story? Die Geschichte ist ja auch so schon kompliziert genug.

Sie wollen also in erster Linie unterhalten?
Unterhalten - warum nicht? Das Publikum zu unterhalten ist doch eine Kernaufgabe des Theaters. Natürlich hat man in der Nach-Corona-Zeit viel darüber nachgedacht: Wohin entwickelt sich das Theater, wohin die Oper? Und es ist sicherlich an der Zeit, zu überlegen: Wie kann ich die Oper auch für jüngere Generationen interessant und zeitgemäß gestalten?
Wenn Regisseure Klassiker verunstalten
Wie kann das denn gelingen?
Ich glaube, es ist schwierig, wenn man mit Jugendlichen in der Schule einen Klassiker behandelt und sie den Stoff oft gar nicht wiedererkennen, wenn sie ihn im Theater sehen, weil ein Regiekonzept hinzukommt, das unter Umständen die eigentliche Geschichte nicht oder nur teilweise erkennbar macht. Ich glaube, viele Leute empfinden das inzwischen ein bisschen als Gängelung, die Einstellung des Publikums hat sich da gewandelt. Es sagt nicht mehr: Ich verstehe das nicht. Es sagt: Wenn ihr es nicht schafft, mir das nahezubringen, ist das euer Problem.

Sie gelten als Musical-Experte. Kann die Oper da vom Musical lernen?
Durch meinen Werdegang bin ich dem Genre Musical sehr verbunden, weil ich dieses Genre interessant finde, aktuell und vielfältig. Man hat mit Schauspiel, Tanz und Gesang, mit all diesen Elementen zu tun. Vielleicht war auch genau das der Grund, dass Katharina Wagner gesagt hat: Ich möchte jemanden, der sich damit beschäftigt, wie man Stücke dem Publikum noch näherbringen kann.
Warum schreibt niemand aktuelle Opern?
Lange Zeit wurde das Genre in Deutschland ja eher belächelt. Hat sich das geändert?
Es hat sich sehr gewandelt, ja. Natürlich gibt es immer noch diejenigen, die das Genre ablehnen, obwohl sie es weder kennen, noch sich überhaupt mit der Vielfalt des Musicalgenres beschäftigt haben. Aber inzwischen gibt es auch Opernsängerinnen und -sänger, die Musicalerfahrung haben, sogar hier in meinem Bayreuther Ensemble. Früher mussten sie das Musical in ihren Lebensläufen verbergen. Das Musical-Genre hat aber keine Probleme, aktuelle Geschichten in neue Stücke zu gießen - im Gegensatz zur Oper. Anstatt alten Opern neue Regiekonzepte überzustülpen: Warum schreibt kaum jemand neue Opern, die zugänglich sind? Es gibt doch tausende von spannenden Geschichten. Aber da hat die Oper ein bisschen den Anschluss verpasst.
Es gab zuletzt viele Diskussionen um die neue Zusammensetzung des Chores.
Es war sicherlich eine Herausforderung, diesen Chor und Sonderchor in der teilweise neuen Zusammensetzung zu einem Kollektiv zu formen. Gerade in den Meistersingern steht er ja auch nicht einfach nur so herum. Das war schon Arbeit, aber ich glaube, das ist mit viel Enthusiasmus und Professionalität geglückt.
Premiere Freitag, 25.Juli 2025, 16 Uhr, BR- Klassik überträgt live
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