Das Partyministerium
Mit ihrem neuen Album sind Fettes Brot im Januar auf Tour. Eine Begegnung mit Doktor Renz, Björn Beton und König Boris.
Eigentlich wirken sie doch ganz seriös, wie sie da im Bayerischen Rundfunk auf einem diesen Ledersofas sitzen, die irgendwas zwischen bequem und offiziell sein wollen. „Das täuscht“, finden sie. „Diese Fassade haben wir über Jahre perfektioniert“, sagt König Boris. Doktor Renz, Björn Beton und König Boris sind Fettes Brot.
Seit Mitte der 90er Hamburgs offizielle Vertreter des launigen, nein fetengeilen HipHop. „3 is ne Party“ heißt das neue Album. Nur wenn man den Herren Ende 30 ganz nahe rückt, merkt man, dass sie so ganz feierfrisch nicht mehr sind. Aber möglicherweise liegt das ja auch daran, dass Party nicht gleich Party ist.
Mal eine Frage stellen, auf die kein junger Hüpfer eine Antwort wüsste: Kann man durch Party politisch sozialisiert werden? Aber sicher, finden Fettes Brot. König Boris führt aus: „Es funktioniert doch immer so, dass man in ein attraktives und aufregendes Umfeld gerät und dadurch anfängt, sich über größere Zusammenhänge Gedanken zu machen.“
Schönes aktuelles Beispiel ist der Zoff um die Rote Flora. Die Rota Flora ist ein Hamburger Kulturzentrum und seit über 20 Jahren besetzt. Jetzt will der Besitzer die Immobilie verkaufen. Fettes Brot, die hier auftraten, gerieten zwischen die Fronten: „Es endete damit, dass der Besitzer und sein Anwalt Strafanzeige gegen Fettes Brot wegen Hausfriedensbruch gestellt haben“, erzählt Björn Beton. Die Polizei griff aber nicht, wie gefordert, ein, sah den Vorgang im zivilrechtlichen Bereich.
Das Konzert wurde für tausende Besucher vor der Roten Flora auf eine Leinwand übertragen. „Unsere Solidarität gilt eher dem Kulturbetrieb Hamburg. Unserer Meinung nach kann und muss eine Stadt wie Hamburg eine besondere Stätte wie die Rote Flora aushalten“, sagt Herr Beton. Und offizieller hätte das auch ein Minister für Jugend- und Feierkultur nicht sagen können.
Doktor Renz spürt „durchaus Solidarität für linkspolitische Gruppen, die derzeit für die Lampedusaflüchtlinge auf die Straße gehen“. Dass die Kombination von HipHop und Haltung Fans auch irritieren kann, sieht man in den sozialen Netzwerken: „Es ist manchmal erschreckend, was Facebook-Freunde da zum Besten geben. Manche haben einfach eine ganz andere politische Meinung als wir.“ Man kann auf dieser Ebene eine Ähnlichkeit mit Deichkind und deren performativer Partyagitation sehen.
Den Reiz des Lokalen haben die drei Hamburger auf ihrem neuen Album wieder entdeckt. Beispielsweise gibt es da die Toast Bar, von der nicht nur Herr Renz begeistert ist: „Es gibt Erdnüsse für alle, satt. Und man darf die Schalen auf den Boden schmeißen. Ein Alleinstellungsmerkmal, was nur die Toast Bar hat.“ So ein wunderbarer Ort muss natürlich in einem Fettes-Brot-Text geehrt werden.
Für Doktor Renz war es in den 90ern eine Revolution, zu erkennen, dass Rap auch auf Deutsch funktioniert. In der Vorgängerband wurde noch englisch gerappt: „Erst über das Ausprobieren, einfache Geburtstagsrapps, haben wir gemerkt: Da ist Potenzial, das funktioniert. Und wir werden immer besser darin, die deutsche Sprache in einen Flow zu bringen, der vielleicht gar nicht mehr hinter der englischen Sprache steht.“ Popmusik als magischer Initiationsritus, das funktioniert auch für eine neue Generation.
„Freiraum für Ungeprobtes“ – das sei wichtig auf der Bühne, sagt Boris. Im Studio haben sie diesmal bewusst spontane Ideen gleich aufgenommen. Ohne Gesangskabine und teures Mikro, einfach im Regieraum über ein Shure-Mikrofon. So fängt man den Zauber des ersten Wurfes ein.
Tatsächlich sah es vor kurzer Zeit noch so aus, als sei die Bandgeschichte beendet. Vor dem neuen Album hatten sie sich Monate getrennt. Und als man im Interview in diese Richtung abbiegt, beginnen durchaus spürbar die Emotionen zu schwingen. Boris hatte eine Solokarriere begonnen und analysiert rückblickend: „Wir sind eine Band, die, wenn es zu gemütlich wird, die Tendenz hat, Gewohnheiten kaputtzumachen, um uns das Gefühl der Sicherheit zu nehmen – was sehr gut für eine Band ist, die den Anspruch hat, über einen längeren Zeitraum interessant zu bleiben.“
Das kann man so kreativtechnisch sehen. Doktor Renz dagegen macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Es geht um das Aushalten des anderen. Und Sie können mir glauben: Die Herren haben echt zünftige Macken.“
Fettes Brot: „3 is ne Party“ (GrooveAttack)'
27. Januar, 20 Uhr, Zenith, Lilienthalallee 29
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