Das neue Album von Vodeon: Beseelter Atem
Als Spitze des Musizierens gilt ja das Quartettspiel. Wer das neue Album von Vodeon gehört hat, könnte geneigt sein, auf dem Gipfel etwas Platz zu schaffen. Für Vokalquartette. Denn den zwei Damen und zwei Herren gelingt eine Quadratur des Kreises, wie sie sonst den besten Streichquartetten vorbehalten ist. Die Quadratur ist gleichsam, dass die Vier echte Solisten sind: Oben strahlt Anna-Lena Elbert mit ihrem sternengleich schimmernden Sopran, in der Mitte führen die Altistin Hana Katsenes und der Tenor Berthold Schindler mit geschmeidigen, doch wohllautenden Stimmen ihr Eigenleben, der Bariton Israel Martins liefert eine lockere Grundierung.
Zum Kreis bildet sich das Ganze, weil sich diese vier eigenwilligen Persönlichkeiten so akribisch aufeinander abstimmen. Wenn sie nicht so jung wären, könnte man sagen, Vodeon ist das Alban Berg-Quartett der Vokalensembles. Diese Homogenität ist umso bemerkenswerter, als die hier präsentierten Werkgruppen spätromantischer und frühmoderner Komponisten höchste Ansprüche an die Koordination stellen: In solistischer Besetzung stechen schon mikroskopische Abweichungen ungeschützt hervor.
Klang mit wohliger Wärme
Der Gesamtklang der Münchner Sänger ist rein, doch ohne jene abweisende Glätte, die A capella-Ensembles ausstrahlen können. Gerade den melancholischen drei Sätzen aus den "Reincarnations" von Samuel Barber tut die wohlige Wärme, in die sie eingehüllt sind, auch die Geschmeidigkeit, mit der die Entwicklungen ablaufen, gut.
Für dieses Album haben sich die Solisten in die Obhut eines Dirigenten, Clayton Bowman, begeben. Das ist bei so einer überschaubaren Besetzung unüblich, und natürlich flutscht das innerliche Zusammenspiel sicherlich auch ohne äußere Signalgebung.
Was durch diese aber möglich wurde, ist eine Art Über-Gesang: Besonders in den Chansons von Claude Debussy und Maurice Ravel kommen tonliche und textliche Laute zwar eigentlich aus vier Mündern - doch selbst, wenn die Silben nonchalant parlierend hingetupft werden wie in einer spontanen Konversation, scheinen sie einer einzigen Kehle zu entfleuchen. Im Münchner Konzert am Freitag in der Himmelfahrtskirche kommen zur Kernbesetzung noch eine Pianistin und ein Sprecher, der Schauspieler Daniel Holzberg, hinzu. Auf dem Programm steht der Zyklus "Songs of Travel" von Ralph Vaughan Williams. Wetten, dass auch das erweiterte Quartett wie von einem einzigen Atem beseelt sein wird?
Vodeon München: "The Evening Primrose". Chansons & Songs von Ravel, Debussy, Hindemith, Britten, Barber und anderen (Spektral Records). Konzert am Freitag, 17. September, 19 Uhr, Himmelfahrtskirche in Sendling, Karten unter Telefon (089) 54 81 81 81 und auf www.muenchenticket.de
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