Das Gastspiel von Christian Thielemann und der Staatskapelle Dresden in München

War Bruckner ein Buddha? Christian Thielemann, Danill Trifonov und die Staatskapelle Dresden im Gasteig
Robert Braunmüller |
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Vor fast fünf Jahren, im Oktober 2009, hatten die Münchner Philharmoniker nach dem Krach mit Christian Thielemann eine Riesenwut im Bauch. Das Publikum war sauer, der Dirigent ebenfalls. Und diese böse Energie steckten alle in Bruckners Neunte. Es war eine düster brütende, grimmige und deshalb unvergessliche Aufführung der Symphonie.

Nun das gleiche Werk am gleichen Ort mit dem gleichen Dirigenten, aber mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Und überall nur Liebe und Sonnenschein. Das Münchner Publikum hat das Orchester ins Herz geschlossen, die Musiker sind mit ihrem Chef im siebten Himmel. Und so wurde auch gespielt: Bruckner als Rausch der Harmonie. Das Orchester schwelgte in seinem wunderbaren, runden, dunkelgoldenen Klang, Thielemann zelebrierte Spätwerkswehmut.
Gewiss, vieles spricht dafür, die Neunte so zu sehen und ihre inneren Konflikte zu verkleinern. Früher deutete Thielemann diese Symphonie stärker von der schreienden Katastrophen-Dissonanz her, auf die das Drama der Themen im langsamen Satz zustrebt. Heute gehen alle Steigerungen in die Breite. Sie bleiben gewaltlos und freundlich. Bruckner, der katholische, leidende Mystiker verwandelt sich in einen lächelnden Buddha, der alles Grobstoffliche hinter sich gelassen hat.

Die Funken sprühen

Es schien, als blockierten sich Thielemanns Neigung zur Behäbigkeit und die Tradition des Orchesters gegenseitig. Wie sehr aus Reibungen Funken schlagen können, zeigte davor die Aufführung von Beethovens Klavierkonzert Nr. 1. Zwar strebten Daniil Trifonov und der Dirigent in jeweils gegensätzliche Richtungen, doch sie trafen sich auf einer höheren Ebene. Der Tastenfeuerkopf und der Gelassene am Pult – fürwahr ein Traumteam.

Das Orchester stellte das marschartige Hauptthema eher verhalten vor, Trifonov antwortete frisch und stürmisch. Wie improvisiert stellte er die musikalischen Charaktere heraus, während ihn Thielemann wie auf Händen trug.
Den langsamen Satz ließ der formidable Klarinettist der Staatskapelle zart-träumerisch verklingen, ehe Trifonov das Finale im Sturmschnitt durchmaß. Nur wer gehört hat, wie federleicht, spritzig und mit einer leichten Schärfe dieser junge Wundermann ein „Leggieramente“ hinlegt, der ahnt, was Beethoven mit diesem Begriff gemeint haben könnte.

Thielemann war von seinem Partner spontan begeistert, das Publikum sowieso. Als Zugaben verschenkte Trifonov – wenn wir uns nicht verhört haben – Franz Liszts „Feux follets“ aus den „Tranzendentalen Etüden“ und eine von Rachmaninow bearbeitete Bach-Gavotte. Danach konnte alles Spätere nur abfallen. Pech für uns und den armen Bruckner.

Am 11. September 2015 gastiert die Staatskapelle unter Thielemann wieder in München. Karten unter Telefon 811 61 61
 

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