Das Duo Jussen und das London Philharmonic Orchestra

Das Jussen-Duo
mit dem London Philharmonic Orchestra unter Karina Canellakis in der Isarphilharmonie
Zwei blonde Surfer-Typen, die kunstvoll linkisch, sich gegenseitig den Vortritt lassend, auf die Bühne stolpern und dann an zwei Klavieren einfach Spaß haben: Die Haltbarkeit dieser Nummer, die Brüder Lucas und Arthur Jussen sollten das wissen, steht kurz vor dem Ablaufdatum.
Der ältere der Niederländer ist auch schon über 30, die betont malerische Art, wie sich die beiden auf ihren Schemeln zurücklehnen und im "Flow" der Musik segeln, wirkt zunehmend kalkuliert. Schließt man beim Konzert für zwei Klaviere Es-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart die Augen, kann die Show von den Mängeln nicht mehr ablenken.
Mit dem Bleifuß auf dem Verwischerpedal
Ja, es klingt pädagogisch sauertöpfisch, aber es würde den Jussen-Brüdern nicht schaden, sich ein Beispiel an den Labèque-Schwestern zu nehmen. Sie müssen deren skrupulöse Makellosigkeit des Zusammenspiels, das aus zwei Flügeln einen großen macht, nicht erreichen. Aber sie könnten es zumindest versuchen. Schwerer wiegt die pianistische Sorglosigkeit beider für sich genommen. Die Anschlagspalette ist eng, Bleifüße auf dem Verwischerpedal hüllen ganze Abschnitte in Nebel, distinkte Rhythmik fehlt ebenso wie Gesanglichkeit und tonlicher Glanz. Echtes Piano sucht man vergebens, das Forte fällt plump mit der Tür ins Haus. Vielleicht lassen Lucas und Arthur Jussen fürs erste ein paar Fernsehautritte aus und tüfteln ein wenig an ihrer Technik.
Unter seinem ehemaligen Chefdirigenten Vladimir Jurowski, unter dem gegenwärtigen Edward Gardner, auch unter Alain Altinoglu, hat das London Philharmonic Orchestra bei vergangenen Gastspielen Maßstäbe gesetzt. Hier steuert es kaum mehr als steifleinerne, mitunter tranige Artikulation bei. Sehr ungewöhnlich für dieses Orchester sind die unsauberen Violinen im Vorspiel zu "Chowantschtschina" von Modest Mussorgsky.
Gebremste Spannung
Die Amerikanerin Karina Canellakis, gerade vertraglich als Erste Gastdirigentin bestätigt, schlägt den Takt kleinteilig, setzt gleichsam atomisierte Nadelstiche, anstatt mit kontinuierlichen Bewegungen Ruhe, Orientierung oder gar Geborgenheit zu schaffen. Kein Wunder, dass sich in der Symphonie Nr. 4 von Peter Tschaikowsky keine Entwicklungen aufbauen können, zumal Canellakis Kulminationen eher ausbremst, ohne daraus jedoch Spannung gewinnen zu können.
Die Musik kommt nicht vom Fleck, statt in der Isarphilharmonie einen Sog zu entfachen, werden die Teile bloß zusammenmontiert. Zum Höhepunkt dieses Konzerts wird die Zugabe, die Polonaise aus Tschaikowskys "Eugen Onegin". Vielleicht liegt Karina Canellakis der Tanz mehr als das Symphonische.