Cover-Album von Bruce Springsteen: Der kraftvolle Soul-Prediger

Das Cover-Album "Only The Strong Survive" von Bruce Springsteen.
von  Dominik Petzold
Bruce Springsteen hat mit "Only The Strong Survive" zu alter Form zurückgefunden.
Bruce Springsteen hat mit "Only The Strong Survive" zu alter Form zurückgefunden. © Sony Music

In den letzten Jahren wirkte Bruce Springsteen oft arg beseelt von seiner eigenen Sendung. Nach dem Erfolg seiner großartigen Autobiographie brachte er eine Show an den Broadway, die von ihm selbst handelte. Bei einem Spotify-Podcast mit Barack Obama klang er staatstragender als der Ex-Präsident. Er drehte einen unseligen Werbespot für Jeep, in dem er seine Landsleute mit salbungsvollen Worten zur Einheit aufrief. Schließlich schrieb er das Drehbuch zu dem Pseudo-Dokumentarfilm "Letter To You" auf Apple TV: Der zeigte wohlkomponierte Szenen der Aufnahmen des gleichnamigen E-Street-Band-Albums, daneben philosophierte Springsteen im Off mit maximalem Pathos über die großen Fragen des Lebens. Bisweilen wirkte er bei all dem wie der Pfarrer einer Kirche, deren Gott er selbst ist.

Bruce Springsteen mit neuer Rolle: Soul-Prediger

Gut, dass er nun eine neue Rolle gefunden hat: die des Soul-Predigers. Nach den Aufnahmen zu "Letter To You" machte er im Studio seines Anwesens gleich weiter, nahm in der Corona-Zeit ein komplettes Album auf, das er - wie schon oft in seiner Karriere - gleich wieder verwarf. Aber während der Sessions verfiel er auf die fruchtbare Idee, alte Soulsongs zu covern. Auch um seinen vielen Fans Musik nahezubringen, die er seit seiner Jugend liebt.

Sie prägte seine Karriere von Beginn an. Soul und Rhythm & Blues sang er in seinen Lehrjahren in Barbands, später als Star beendete er seine Shows oft mit "Quarter To Three" von Gary U.S. Bonds. Auch als Zutat seiner eigenen Songs war der Stil oft spürbar, und in seiner puren Form schuf er mit "Tenth-Avenue Freeze-Out" oder "Hungry Heart" einige seiner allerbesten Stücke. In den frühen Neunzigern bestimmte Soul seinen Sound dann besonders stark, aber mit den Alben "Human Touch" und "Lucky Town" erlebte er einen zwischenzeitlichen Karriereknick, vermutlich machte er deshalb mit dem Stil nicht weiter.

Die reine Soul-Lehre

Auf dem Cover-Album "Only The Strong Survive" predigt er nun die reine Lehre. Und das gelingt ihm vortrefflich. Die meisten der 15 Songs entstammen dem Soul-Jahrzehnt schlechthin, den Sechzigern, außerdem singt er die Four-Tops-Nummer "When She Was My Girl" aus den frühen Achtzigern und zwei Stücke, die die glorreichen Soulzeiten thematisieren: "Nightshift" von den Commodores (1985) und "Soul Days" von Dobie Gray (2000).

Bei den Arrangements bleibt Springsteen meist sehr nah bei den Originalen. Bei den beiden Höhepunkten des Albums, den Motown-Stücken "7 Rooms of Gloom" und dem wie immer herzbrechenden "What Becomes Of The Brokenhearted", reicht das bis zum Feeling der Drumfills. Springsteen Stammproduzent Ron Aniello hat einen behutsam modernisierten, üppigen Sound mit Bläsern, Sängerinnen und Streichern geschaffen, und so werden die Stücke den famosen Originalen voll und ganz gerecht.

Die erstaunlichste Leistung vollbringt aber Springsteen selbst: Sein Gesang ist sensationell gut, voller Gefühl, vor allem aber Kraft. Der Zustand seiner Stimmbänder ist nach mehr als einem halben Jahrhundert des Röhrens verblüffend - und hat ihn auch selbst erstaunt. In einer launigen Werbeansprache auf Youtube sagt er: Als die Aufnahmen hörte, fand er seine Stimme "badass", er sei 73 Jahre alt, aber "kickin' ass" - frei übersetzt: Er singe ziemlich gut. Bei aller Unbescheidenheit, da hat er absolut recht. Wie er bei "7 Rooms of Gloom" an den dramatischen Gesang von Four-Tops-Frontmann Levi Stubbs heranreicht, ist erstaunlich.

Ein weiterer Höhepunkt ist "Hey, Western Union Man": Die Aufnahme ist deutlich kraftvoller als das Original von Jerry Butler. Toll sind auch Frank Wilsons "Do I Love You (Indeed I Do)" oder Tyrone Davis' "Turn Back The Hands Of Time". Daneben gibt es unspektakulärere Aufnahmen wie "Don't Play That Song", die Art von schwungvollem, leichtem R&B, die Springsteen schon immer in sein Repertoire streute. Außerdem hat er viele unbekanntere Songs wie William Bells Ballade "I Forgot To Be Your Lover" gewählt, eines von zwei Duetten mit dem 87-jährigen Sam Moore von "Sam & Dave", den er schon für "Human Touch" angeheuert hatte.

Auf die Plattenhülle hat Bruce Springsteen klein "Covers Vol.1" drucken lassen. Ein schönes Versprechen: Möge er künftig als Botschafter noch viel Musik, die er liebt, unters Volk bringen. Und wenn er fürs erste ein paar Soulklassiker mit auf die im Februar beginnende Tournee seiner E Street Band nimmt, ist's auch recht.

Bruce Springsteen: "Only The Strong Survive" (bei Columbia Records/Sony);

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