Christoph Eschenbach, der Verlegenheitspreisträger
Peter Gülke, der vorjährige Preisträger, brachte in einmaliger Weise Musikwissenschaft und dirigierende Praxis zusammen. Mariss Jansons, der 2013 den Ernst-von-Siemens-Musikpreis erhielt, ist ein singulärer Interpret der klassischen Moderne und ein großer Orchester-Erzieher.
Heuer bekommt Christoph Eschenbach den mit 250 000 Euro dotierten Preis. Was ist das Besondere an Eschenbach? Schwer zu sagen. Als Pianist tritt er seit Jahren nur noch im Duo mit Tzimon Barto in Erscheinung. Popularität erlangten seine Einspielungen der Konzerte für mehrere Klaviere von Mozart und Johann Sebastian Bach mit Justus Frantz und Helmut Schmidt als Klavierpartner.
Als Dirigent ist der 1940 in Breslau geborene Musiker auch nicht unumstritten. Er gilt als Vertreter der grobledernen deutschen Schule, die sich um klangliche Finesse wenig kümmert. An eine wirklich herausragende Deutung eines Werks durch Eschenbach wird man sich nur schwerlich erinnern. Auch sein Mozart-Zyklus, den er in Salzburg einspringend von Franz Welser-Möst übernahm, hat wegen seiner Romantizismen nur wenige Fans.
Ein Leben im Dienst der Musik
Ein Unzeitgemäßer? Vielleicht. Eschenbachs Mutter starb bei der Geburt, der Vater wenige Jahre später in einem Strafbataillon an der Front. Nach dem Krieg erkrankte er als Kind in einem Waisenhaus in Mecklenburg an Typhus. Die Adoption durch Wallydore Eschenbach, eine Cousine der leiblichen Mutter, soll Eschenbach als Rettung empfunden haben. Die Sängerin und Pianistin brachte dem verstummten Kind die Musik nahe. Die Musik habe seinem Leben den Sinn zurückgegeben, sagt Eschenbach laut einer Mitteilung der Musikstiftung. „Ich bin deshalb dankbar, ganz in ihrem Dienst zu stehen.“
Der Jury fallen einfach keine Frauen ein
Das ist ehrenwert. Aber reicht es als Grund? Es ist natürlich die Sache der von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste dominierten Jury einer Privatstiftung, wen sie beim Festakt am 31. Mai im Herkulessaal auszeichnet. Dennoch darf man sich als Außenstehender wieder ein wenig wundern, dass die gesetzte Jury älterer Würdenträger seit 1974 nur eine Dame preiswürdig fand: die Geigerin Anne-Sophie Mutter.
Der Bedeutung von Frauen im heutigen Musikleben entspricht das kaum. Aber wichtiger als der abwechselnd zwischen Interpreten und Komponisten umherwandernde vergebene Hauptpreis sind ohnehin die restlichen 2,7 Millionen Euro. Mit ihnen gibt die in der Schweiz ansässige Stiftung wichtige Impulse für die Förderung der Neuen Musik. Dafür nimmt man einen weiteren Verlegenheitspreisträger schon einmal verwundert in Kauf.