Charles Castronovo ist Münchens Puccini-Tenor
Im kommenden November werden 100 Jahre seit dem Tod von Giacomo Puccini vergangen sein. Das Münchner Rundfunkorchester hat aus diesem Anlass eine CD mit Liedern des Komponisten aufgenommen, die der Münchner Komponist Johannes X. Schachtner für Orchester bearbeitet hat. Charles Castronovo, der im Mai als Cavaradossi in der Bayerischen Staatsoper auftreten wird, ist der Solist dieser CD.
AZ: Mr. Castronovo, Sie haben 2006 mit dem Münchner Rundfunkorchester Mozarts "La clemenza di Tito" aufgenommen. Ich denke, dass nicht viele Puccini-Tenöre diese Rolle im Repertoire haben.
CHARLES CASTRONOVO: Das ist lange her. Ich war damals fast etwas zu jung für den Titus. Mozart hat aber eine große Rolle in den Anfangsjahren meiner Karriere gespielt. Mittlerweile werde ich nicht mehr sehr oft für seine Opern angefragt. Aber ich werde demnächst wieder eine große Mozart-Rolle singen: den Idomeneo. Das wird ein Test, ob meine Stimme noch flexibel genug dafür ist.
Nach Mozart haben Sie zwar viel Belcanto gesungen, aber wenig Puccini.
Erst in den letzten Jahren sind zum Rodolfo in "La Bohème" und dem Ruggero in "La rondine" weitere Rollen dazugekommen: etwa der Pinkerton in "Madame Butterfly". Der Cavaradossi in "Tosca" in der Neuinszenierung der Bayerischen Staatsoper wird meine vierte Puccini-Rolle.
Warum haben Sie mit Puccini gezögert?
Meine Stimme entwickelt sich langsam. Bei Puccini ist das Orchester lauter, die Rollen sind fordernder. Daher wollte ich das langsam angehen. Aber nun bin ich bereit.
Was ist Ihre Lieblingsrolle in einer Puccini-Oper?
Es wird wohl der Cavaradossi werden. Alle meine Tenor-Kollegen prophezeien mir das. Man steht nur 20 Minuten auf der Bühne, aber es ist die beste Musik, die jemals für einen Tenor komponiert wurde. Die Rolle ist aufregend, und man bekommt viel Energie vom Publikum zurück.

Cavaradossis Arien im ersten und dritten Akt sind lyrisch, im zweiten Akt stehen die "Vittoria!"-Rufe: ein heldischer Ausbruch.
Meine Kollegen raten, dass man in diese Rufe nicht zu viel Energie stecken sollte. Und vor allem sollte man sich davon nicht verrückt machen lassen. Im Moment ist aber noch der Rodolfo meine Lieblingsrolle: Sie ist emotional, und die Figur ist ein ehrlicher Charakter.
Wissen Sie schon, wie die Inszenierung von Kornél Mundruczó im Nationaltheater aussehen wird?
Ich kenne nur einen kurzen Satz des Regisseurs: "Cavaradossi ist ein avantgardistischer Maler". Keine Ahnung, was mich erwartet. Aber ich habe seinen "Lohengrin" im Nationaltheater gesehen, der mir sehr gefallen hat.
War die CD mit Liedern von Puccini Ihre Idee?
Ich kannte die Lieder von einer CD mit Placido Domingo in Klavierbegleitung, aber ich wäre nicht darauf gekommen, diese Stücke zu singen. Es war eine Idee von Ivan Repušić, dem Chefdirigenten des Münchner Rundfunkorchesters. Wir kennen uns schon länger, und in dieser Spielzeit bin ich "Artist in Residence" des Orchesters, was mich sehr freut, weil ich München auch dank der Bayerischen Staatsoper als künstlerische Heimat verstehe. Und weil Puccini-Jahr ist, wollten wir zusammen etwas Besonderes machen.
Wenn Sie mich nach einem Lied von Puccini fragen würden, würde mir keines einfallen.
Die meisten Lieder sind frühe Werke, kleine hübsche Perlen, die sich für die Aufführung in einem Salon eignen. Von ein, zwei etwas dramatischeren Ausnahmen abgesehen sind sie nicht sehr opernhaft. Einige Melodien würden Sie kennen, weil Puccini sie später in seinen Opern weiter verarbeitet hat.

Welches der Lieder würde ich erkennen?
Das bekannteste Lied "Sole e amore" ist in "La Bohème" eingegangen. Andere Themen hat Puccini in "Manon Lescaut" verwendet, anderes in "La Rondine" und in seiner ersten Oper "Le villi".
Viel Musik ist es nicht, weil auf der CD auch noch Orchesterwerke zu hören sind.
Wir haben alle Lieder aufgenommen - das sind insgesamt 40 Minuten. Und zwar in der Orchesterfassung des Komponisten Johannes X. Schachtner. Sie ziehen vor Puccini den Hut, ohne in zu kopieren.
Sie stammen aus New York und sind in Kalifornien aufgewachsen. Wo haben Sie Puccinis Musik zum ersten Mal gehört?
In Kalifornien. In meiner Familie gab es keine Musiker, auch wenn mein Großvater gerne Sänger geworden wären. Leider hat er meine Karriere nicht mehr erlebt. Ich habe in Rockbands gesungen, später im Schulchor, durch den ich Klassische Musik für mich entdeckt habe. Der Vater einer meiner Freunde stammte aus Bologna und war ein großer Opernfan. Er lieh mir eine Platte, auf der als erstes Stück das "Esultate" aus Verdis "Otello" mit Placido Domingo zu hören war. Das war für mich so intensiv wie Rockmusik und nahm mich gefangen.
Welche Puccini-Oper haben Sie als erste gehört?
Herbert von Karajans berühmte Aufnahme der "Butterfly" mit Mirella Freni und Luciano Pavarotti. Die habe ich eine Million Mal gehört.
Wer ist Ihr Lieblingsinterpret von Puccinis Musik aus der Vergangenheit?
Schwierige Frage. Für die schweren Rollen Franco Corelli, für die lyrischen Partien Giuseppe di Stefano. Ich weiß, dass dessen Technik umstritten ist, aber ich mag seine Emotionalität. Corelli übertreibt vielleicht hin und wieder, aber auf eine sehr faszinierende Weise.
Die CD "Puccini: I canti" erschien beim Eigenlabel BR Klassik. Am 7. Februar singt Charles Castronovo ein Puccini-Programm mit dem Münchner Rundfunkorchester im Prinzregententheater (Beginn: 19.30 Uhr, Karten bei BR Ticket) Puccinis "Tosca" mit dem Amerikaner steht ab 20. Mai auf dem Spielplan der Bayerischen Staatsoper
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