Castañeda und Maret: Vielseitig cool!
In New York waren alle cool, meint Edmar Castañeda. Und er stand da, mit seiner kolumbianischen Harfe, und überlegte sich, wie er das auch werden könnte. Seitdem ist mehr als ein Vierteljahrhundert vergangen und der junge Mann aus Bogota hat sich aus der exotischen Nische seines Instruments herausgearbeitet. Dabei siegte Neugier über die Tradition.
Von seinem Vater hatte er das Harfespielen gelernt und die Grundlagen der kolumbianischen und venezolanischen Volksmusik mitbekommen. In New York aber tauchte er in die Welt von Jazz und Funk ein, lernte, was Groove bedeutet, und, dass man Akkorde und deren Brechungen auch einmal knarzen, schnarren, übersteuern lassen kann. So ist Castañedas Harfe heute weit mehr als ein Wohlklangsgenerator.
Ein-Mann-Band im Saitenformat
Sie ist Percussion und Bass, Gitarre und Stimme, Soloinstrument und Begleitung in einem: eine Ein-Mann-Band im Saitenformat, auf die sich wiederum Grégoire Maret verlassen kann.
Der ist einen ähnlich ungewöhnlichen Weg gegangen. Von seiner Heimatstadt Genf aus zog er mit der Mundharmonika an die New School in New York. Er durchlief zügig die Kaderschmiede des Jazz und landete an der Seite von Berühmtheiten wie dem Gitarristen Pat Metheny oder dem Bassisten Marcus Miller, durch deren Bands sich für ihn die Welt der großen Bühnen öffnete.
Beide auf ihre Art musikalische Ausnahmegestalten fanden sich zu einem Duo zusammen, das als stilistisches Versuchslabor ermöglicht, im Jazzclub Unterfahrt einen großen Bogen zu spannen: Er reicht von Argentinien und Brasilien über Kolumbien bis nach Manhattan, gönnt sich Ausflüge in die klassische europäische Spieltradition, aber auch in die Phrasierungen der westafrikanischen Kora. Beim ersten Eindruck eingängig und melodisch zugänglich, passieren jedoch im Detail zahlreiche Erweiterung des Gewohnten. Castañeda lässt die Harfe nicht nur jubilieren und schwelgen, sondern nützt sie für gitarristisch ausgefeilte Figuren, die man sonst eher vom Flamenco, von der Samba oder auch fortgeschrittenen Versionen der Bossa Nova kennt. Sein Instrument bäumt sich auf, singt und schreit, schmeichelt und flüstert. Es füllt den Raum und lässt ihn wieder transparent werden, harmonisch beiläufig anspruchsvoll, rhythmisch faszinierend vielschichtig.
Castañeda und Maret: Viel cooler geht kaum
Maret wiederum holt nicht nur die Vorbilder der Mundharmonika ins Programm, sondern phrasiert mal wie ein Saxophon, mal wie eine Trompete, verblüffend virtuos und dabei elegant und ähnlich unaufgeregt wie sein Dialog-Partner.
New York scheint auf jeden abzufärben, der sich dort eine Weile aufhält. Denn viel cooler als dieses Duo kann man sich am Rande der musikalischen Gewohnheiten kaum bewegen. Castañeda und Maret sind Virtuosen und doch sind Können und Geläufigkeit nur ein Aspekt ihrer Kunst. Denn als sie den Song "Acts" als eine Mahnung für die Menschlichkeit anstimmen, wirkt die Musik ebenso präsent im Kleinen, in der Feinheit des Moments.
Die CD Edmar Castaneda & Grégoire Maret "Harp Vs. Harp" ist bei ACT erschienen
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