BR-Symphonieorchester im Herkulessaal: Musik, die gerade entsteht
Das hat man schon lange nicht mehr erlebt: schon beim Einlass dichtes Gedränge, der Herkulessaal ausverkauft, sogar die Stehplätze besetzt. Eine Entwöhnung des Publikums infolge der Corona-Pandemie? Von wegen! Offenbar lässt sich mit zeitgemäß besetzten und verlebendigten Programmen zielgenau gegensteuern. Im Publikum saßen noch dazu viele junge Menschen, ein ungewohnter Anblick. Sie alle wollten eine erleben: Joanna Mallwitz.
Dirigentin, Solistin und Orchester bildeten eine Einheit
Ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen 2020 markierte ihren internationalen Durchbruch. Jetzt dirigierte die scheidende Nürnberger Generalmusikdirektorin erstmals das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Der gesamte Abend war ein einziger Höhepunkt, nicht nur das Violinkonzert op. 35 von Peter Tschaikowsky mit Janine Jansen als Solistin. Gleichwohl war es allein hier eine schiere Freude zu erleben, wie Mallwitz, Jansen und das Orchester eine in sich geschlossene Einheit bildeten.
Da wurde untereinander reger Blickkontakt gehalten, ganz im Geist einer orchestralen Kammermusik. In diesem Sinn wurde Tschaikowsky wohltuend entschlackt. Gerade in der Canzonetta des Mittelsatzes oder im Finale wähnte man sich fast schon unter Mariss Jansons. Mit dem Orchester hatte der 2019 verstorbene Dirigent Tschaikowskys unerhörte Klassizität freigelegt.

Klangarchitektonische Perfektion im Herkulessaal bei "Till Eulenspiegel"
Zwar nahm Jansen den Kopfsatz bisweilen mit breitem Strich und satten Portamenti, dafür aber wagte sie Reduktionen bis in das zarteste, fragilste Piano. Mit dieser überaus nuancenreichen Ausschattierung in Dynamik, Farbgebung und Ausdruck haben Mallwitz und das Orchester zuvor den "Till Eulenspiegel" von Richard Strauss durchdrungen.
Eigentlich ist der Herkulessaal für dieses Werk zu klein. Hier aber wurde nichts übersteuert, sondern in klangarchitektonisch nahezu perfekter Balance gehalten; glasklar seziert zudem die sprunghaft-schelmischen Stimmungswechsel.
Von dieser leichtfüßigen Agilität profitierte umso mehr die Symphonie Nr. 7 von Ludwig van Beethoven. Das Allegretto des zweiten Satzes hat Mallwitz als solches genommen und eben nicht mit schleppender Larmoyanz zelebriert. Im Scherzo wirbelte ein Tempo, wie man es sonst nur von Originalklang-Ensembles oder Kammerorchestern kennt.
Im Herbst wechselt Joanna Mallwitz nach Berlin
Von Nikolaus Harnoncourt stammt der Ausspruch, dass gerade die bekanntesten Werke so gespielt werden sollten, als ob sie gerade erst entstünden. Genau das ist in dieser Siebten geschehen. Noch bis zum Ende der kommenden Spielzeit wirkt Mallwitz am Staatstheater in Nürnberg.
Danach wechselt sie nach Berlin zum Konzerthaus-Orchester. Eines dürfte vollends klar geworden sein: Diese Frau gehört nach München. Je früher desto besser!