"Blues ist mein Ventil"

Der Münchner Bluesmusiker gibt sich auf seinem facettenreichen Album "Claim" laut und poetisch
Volker Isfort |
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Von den vielversprechenden Münchner Musiktalenten hat Jesper Munk wohl den größten Sprung gemacht.

Mit seinem Debütalbum entfachte der damals 20-Jährige 2013 große Begeisterung für Blues alter Schule und tourte quer durch Deutschland. Nun zündet er mit seinem zweiten Album „Claim“ die nächste Rakete: In 14 Songs zeigt er eine große Bandbreite und knallt mit der ersten Auskopplung „Courage For Love“ brachial einen Song heraus, der auch Jon Spencers Blues Explosion zur Ehre gereichen würde. Kein Zufall, schließlich war Munk mit seiner Band eine Woche in New York unter den Fittichen des Bluesrockmeisters, aber auch Mocky (Feist) und Sepalot (Blumentopf) haben in Los Angeles und München ihren Produzenteneinfluss hörbar hinterlassen. Zwischen intimen Nummern und Breitwandblues ist „Claim“ ein enorm abwechslungsreiches und intensives Album geworden.

AZ: Herr Munk, ist das Album für einen internationalen Markt gedacht?

JESPER MUNK: Im optimalen Fall ja. Aber ich finde so eine Erwartungshaltung immer sehr gefährlich.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Jon Spencer?

Wir haben ganz offiziell angefragt, ich habe ihm dann persönlich gemailt, ein paar Sachen von mir geschickt. Er hat Interesse gezeigt und wir haben ihn für die Zusammenarbeit gebucht. Jon Spencer ist für mich natürlich in erster Linie ein Held. Ich war total geflasht. Ich habe mir nach der Ankunft in New York gedacht: „OK, drei Stunden darfst Du innerlich ausrasten, aber dann musst du voll da sein.“

Wie war dann der Studioalltag?

Wir hatten das Studio für eine Woche gebucht und das mussten wir natürlich diszipliniert ausnutzen. Ich hatte ein Kontingent an Songs mitgebracht, Jon fand das toll, dass die schon so fertig waren. Das war schon so eine Art Lob.

Hat er viel Einfluss genommen?

Er hat wenig Änderungen gemacht, er hat eher hier und da mal was vorgeschlagen, so kleine, aber super Tipps, die die Essenz des Ganzen ausmachen. Das Angenehme bei ihm war auch, dass diese Frage, ob ein junger Münchner Blues machen darf, nicht auftaucht. Da gibt es keine Denktabus oder Soundtabus. Das ist ein sehr reflektierter Typ.

Ist das eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe?

Was heißt schon Augenhöhe? Ich befinde mich in einem ganz anderen Entwicklungsstatus, er ist natürlich viel gefestigter. Jon Spencer ist ein sehr wortkarger Typ, da achtet man schon genau darauf, wie er reagiert. Wenn es ihm gefallen hat, dann grinst er mal kurz. Aber der ist keiner, der auch mal aus Höflichkeit über einen Witz lacht. Unsere Zusammenarbeit war halt ganz reduziert auf das Essenzielle und so sind seine Produktionen auch.

Sie haben zur Singleauskopplung „Courage For Love“ ein sehr cooles Video gedreht.

Wir waren dafür zwischen Weihnachten und Silvester auf Fuerteventura. Für das Video bin ich zum ersten Mal allein Auto gefahren, ich habe ja gar keinen Führerschein. Ich hatte mal ein paar Fahrstunden genommen, aber dann die Sache abgebrochen. Ich war damals so naiv zu glauben, die Zeit dafür sei gerade ungünstig. Und jetzt ist es zu spät. Ich muss mal auf eine Phase warten, in der ich wieder etwas länger Zeit am Stück habe.

Sie haben zwar keinen Führerschein, aber dafür gibt es jetzt so etwas Erstaunliches wie die Jesper Munk „Claim“-Deluxe-Box...

Also wenn ich morgens in den Spiegel schaue, dann bin ich immer noch der gleiche Typ. Und wenn ich jetzt so eine Box mit der Doppel-LP und dem Artwork sehe, dann erscheint mir das erstmal total unrealistisch, auch wenn sie mir natürlich sehr gefällt.

Mit dem zweiten Album hört der Welpenschutz auf.

Gottseidank. Endlich kommen dann mal ehrliche Worte. Welpenschutz heißt doch nur, dass man keine realistische Einschätzung von außen erhält. Ich kann auch diese Sätze, die mit „Für sein Alter ....“ beginnen, echt nicht mehr ertragen.

Wichtiger ist ohnehin das Publikum.

Klar, das ist die Kohle. Ich meine damit nicht das Geld, sondern die Kohle, die den Zug befeuert.

Sie haben ja die Bluesrockbegeisterung von Teenagern entfacht. Ist das ein Strohfeuer, oder können Sie diese Zielgruppe dauerhaft an den Blues binden?

Keine Ahnung. Aber bisher war das Publikum komplett aus allen Altersschichten durchmischt. Das finde ich super. Die Leute sind total verschieden fundiert und musikalisch sozialisiert. Und ich muss sagen, so schön junge Menschen im Publikum sind, es ist einfach toll, wenn man positives Feedback von Älteren bekommt, die alles schon live gesehen haben.

Sie sind im letzten Jahr sogar als Vorband von Eric Burdon getourt.

Das war großartig. Aber wenn man dann beim Auftritt sieht, wie einen Musiker aus seiner Band vom Bühnenrand beobachten, dann wird man schon verdammt nervös. Glücklicherweise hat es ihnen aber gefallen.

Ist „Claim“ jetzt noch ganz Ihr Projekt, oder fühlen Sie sich schon fremdbestimmt?

Ich habe schon Kontrolle über das, was geschieht. Jedenfalls hat mir niemand hineingeredet. Ich kann das alte Klischee vom „bösen Major-Label“ in keiner Weise bestätigen.

Schreiben Sie Songs bewusster auf den möglichen Erfolg hin?

Auf gar keinen Fall. Die Songs entstehen wirklich nur aus mir. Wenn ich jetzt anfangen würden, an ein Publikum oder einen Radiohit zu denken, dann beeinflusse ich einfach zu sehr, wie ich eigentlich meine Reflexionen in der Musik verarbeite. Das ist aber ein persönlich so wichtiges Ventil für mich, da lasse ich nichts ran.

Basteln Sie lange an Ihren Songs?

Das ist sehr unterschiedlich. „Courage For Love“, „Reeperbahn“ und „White Picket Fence“ sind zum Beispiel alle innerhalb einer Woche vor den Studioaufnahmen entstanden. Ich wollte noch ein bisschen brainstormen, und auf einmal hatte ich dann in der Erwartung auf New York schon so ein Soundgefühl und habe die drei Titel geschrieben. Aber das geht nicht immer so schnell.


Das waren ereignisreiche eineinhalb Jahre für Sie, jetzt kommt die große Tournee, wann spannen Sie mal aus?

Ich war im Januar drei Wochen auf Goa und das war auch dringend notwendig. Ich habe da am Strand gejammt und kam auch endlich mal wieder zum Lesen und Denken. Das beeinflusst die Musik natürlich auch – auch wenn ich nicht zur Sitar gegriffen habe.

Jesper Munk stellt sein Album „Claim“ (Warner Music) live am 29. April in der Muffathalle vor, Karten: 25 Euro, eventim

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