Barockes Perlen, geerdete Tiefe
Schon Mitte des ersten Akts sind die Rollen klar verteilt. Zwei Männer-Weicheier – das nette Söhnchen (Tenor Arturo Chacón Cruz) jammert, und der alte Dogen-Vater Foscari (Paolo Gavanelli) ist zu feige, die Verbannung seines Sohnes zu verhindern: Staatsraison vor Liebe. Dann kommt sie – gesellschaftlich als Frau in die Passivität verdammt.
Aber die intrigante Republik Venedig mit feierfreudiger, aber opportunistischer Bevölkerung hat die Rechnung ohne sie gemacht. Es kommt zu einer dieser grandiosen, tumultösen Verdi-Szenen: Bürger-Chor und Dienerin rufen – im Angesicht des politischen Skandals – zu biederem Gottvertrauen auf. Wenigstens das Orchester aber kocht vor Wut. In diese wilde Gemengelage wirft sich die Löwin Lucrezia, und Simone Kermes’ Koloratursopran fliegt über alles hinaus, setzt sich atemberaubend frei, mühelos gegen die Töne der Kleingläubigen und der Musik durch: „Milde? – Oh ihr Patrizier, zittert!“
Die Konzertagentur Vita e Voce wagt frei finanziert in München Großes: eine unbekannte, frühere Verdi-Oper, ein aus Münchner Musikern zusammengestelltes Allstar-Opernorchester mit Opernchor und dann noch frei engagierte Sänger-Größen. Hier ergab sich Originelles: Denn Simone Kermes ist von der Stimmfärbung das Gegenteil zum schwiegerväterlichen Paolo Gavanelli: sie, stimmlich unfassbar frei barock-perlend, und er, fest geerdet, sonor-sentimental baritonal. Was stilistisch zu Reibungen führen könnte, löst die Charakterzeichnung perfekt auf: Lucrezia ist die unangekränkelte Widerstandskraft, Francesco Foscari der milde gewordene, am Boden zerstörte Machtmensch, der sich am Ende – und hier räumt Gavanelli mit voller Kraft und Charme ab – noch einmal abrechnet, ehe er sich dem Tode ergibt.
Dass er und Simone Kermes in der tapfer gefüllten Philharmonie am stärksten umjubelt werden, ist gerecht: Denn sie setzt ihre mitreißende stimmliche Strahlkraft – trotz offenbar beliebiger Kraftreserven – derart einfühlsam und oft kunstvoll mezzavoce ein, dass sie mit den anderen harmoniert. Und er kann stimmlich warm einnehmend den Zuschauer kunstvoll tief rühren. Verdi selbst war nicht der allergrößte Freund seiner Oper „I due Foscari“, die er als zu „handlungsarm“ abtat. Gerade dafür aber ist die Aufführung in konzertanter Form hervorragend geeignet. Und dass deutsche Übertitel angeboten waren, verschaffte guten Überblick und erhöhte die Konzentration im angenehm abgedunkelten Saal. Kommenden Sonntag, 10. Februar, kann man dieses seltene, gelungene Gesamtkonzept noch einmal im Gasteig bewundern.
Sonntag, 19.30 Uhr, Philharmonie: „I due Foscari“, 20-89 Euro, 28855502, www.vitaevoce.de
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