Barockes, Jazz und das Heulen des Höllenhunds

Arthur Honeggers „Johanna auf dem Scheiterhaufen” hat heute in der Alten Kongresshalle Premiere
von  Christa Sigg

Retterin” jubelten ihr die Franzosen zu. Und doch ist die Jungfrau von Orléans auf dem Scheiterhaufen gelandet – um 24 Jahre später von der Kurie zur Märtyrerin erklärt zu werden. Arthur Honegger (1892-1955) inspirierte die Heilige zu seinem Oratorium „Johanna auf dem Scheiterhaufen”, das das Gärtnerplatztheater heute in einer halbszenischen Version in die Alte Kongresshalle bringt.

AZ: Was ist „Johanna auf dem Scheiterhaufen” eigentlich? Das hat von allem etwas.
MARCO COMIN: Es nennt sich dramatisches Oratorium. Arthur Honegger und Paul Claudel haben das Stück szenisch konzipiert – dabei war die Uraufführung 1938 in Basel konzertant. Von der Struktur her ist es keine Oper, die „Johanna” funktioniert nach Szenen, nach Tableaus, und manchmal hat man das Gefühl, das Stück wurde wie ein Film mit Rückblenden konzipiert.

Aber die sind auf der Bühne kaum umsetzbar.
Doch, die Frage ist nur wie. Bei Bachs „Matthäuspassion” kann eine Inszenierung nicht klappen, weil die Musik schon auf hochdramatische Weise eine Geschichte erzählt. Im Fall der „Johanna” ist die Umsetzung auf der Bühne zwar schwer, weil es keine Aktion gibt und die Figuren hauptsächlich kommunizieren. Aber es geht. Man darf das Stück nur nicht als Oper auffassen.

Warum wird es dann halbszenisch aufgeführt?
Das hat mit den örtlichen Gegebenheiten in der Kongresshalle zu tun. Für das Orchester und den Chor ist das aber eine gute Gelegenheit, sich zu präsentieren. Abgesehen davon ist das Stück für beide enorm schwer. Dabei sieht es auf der Partitur gar nicht so aus.

Liegt das auch daran, dass Honegger dauernd zwischen den Stilen wechselt?
Sicher auch, da ist alles drin, Tonales und Atonales, Jazz, Sinfonisches, Volksliedhaftes, Barockzitate – für den späten Honegger typisch. Aber bei ihm fügt sich alles zu einem Ganzen. Man hört die Unterschiede deutlich, doch es kommt einem nie brüchig vor.

Claudels Text ist stark religiös und ziemlich national getönt. Wie steht es hier mit der Aktualität?
Ich glaube, wir können sogar eine Menge davon lernen. Eine gesunde Religiosität oder Nationalität sind doch nichts Falsches. Besonders wenn man bedenkt, in welcher Zeit das Stück komponiert wurde. In Frankreich hat es gebrannt, schon vor dem Krieg gab es immense Probleme. Claudel war Katholik, Honegger Calvinist – und Ida Rubinstein, die sich das Werk gewünscht hatte, Jüdin. Alle drei haben perfekt zusammen gearbeitet an einem Stück um ein katholisches, tief gläubiges Mädel im 15. Jahrhundert. Und was das Heute betrifft: Es geht ja nicht mehr um den Katholizismus, es geht um die Religion und letztlich auch den Fanatismus. Es gibt die gesunde Auffassung der Johanna, die wirklich an Gott glaubt, auf der anderen Seite sind in diesem Fall die Priester, die weit entfernt vom wahren Glauben sind.

Sie nehmen den später komponierten Prolog dazu?
Natürlich. Nach dem Ende des Kriegs hatten Honegger und Claudel das Bedürfnis, auf das befreite Frankreich zu verweisen. Dramaturgisch gesehen ist der Prolog die optimale Vorbereitung auf das Hauptstück.

Welche Bedeutung haben die Ondes Martenot fürs Stück? Damit macht sich ja der Höllenhund bemerkbar.
Nicht nur. Das Instrument – Ondes heißt Wellen – wurde in den späten 1920er Jahren von Maurice Martenot erfunden. Erstaunlich ist für mich weniger der Klang, sondern wie Honegger das Instrument benutzt. Natürlich hat man die typischen Glissandi (Gleiten auf der Tonskala), aber es werden auch Melodien darauf gespielt. Es geht nicht nur um Effekte, hier zeigt sich Honeggers große Kunst, die Ondes ins Orchester zu integrieren.

Sie sind am Gärtnerplatz eher fürs Ernste zuständig?
Was ich mache, gefällt mir. Wir haben einen hervorragenden ersten Kapellmeister, der ein fantastisches „Rössl” dirigiert hat. Es ist doch wunderbar, wenn man die Aufgaben teilen kann. Ich bin offen und neugierig, in meiner Jugend habe ich auch Rock gespielt, das höre ich immer noch, auch Jazz. Das heißt aber nicht, dass ich alles dirigieren muss.

Wird’s mit Ihnen trotzdem Musical oder Operette geben?
Das kommt aufs Stück an. Gute Musik gibt’s in jedem Genre.

Premiere 12. Dezember 2012, 19.30 Uhr, Alte Kongresshalle, Tel. 21851960

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