Kritik

AZ-Kritik zu Sabaton in der Olympiahalle München: Ausgelassen und wild

Am Montagabend hat die schwedische Metal-Band Sabaton den Münchner Fans in der Olympiahalle ordentlich eingeheizt. Es wurde marschiert und gestampft, die Gitarrenklänge bahnten sich ihren Weg in die Trommelfelle wie Geschütze.
von  Moses Wolff
Sabaton feierte eine XXL-Show vor dem Publikum in der Olympiahalle München.
Sabaton feierte eine XXL-Show vor dem Publikum in der Olympiahalle München. © Jens Niering

München - Pilgernden Mönchen gleich versammeln sich Scharen von Metal-Fans unterhalb der futuristischen Zeltdachkonstruktion des Olympiaparks. Fast alle tragen "Amtstracht" in Form von schwarzen T-Shirts, etwa die Hälfte mit Sabaton-Motiven. Ein paar vereinzelte haben ihre Biker- und Heavy-Metal-Kutten aus dem Schrank geholt, also mit Nieten versehene abgeschnittene Leder- oder Jeansjacken, reich bestückt mit Aufnähern und Vereins- oder Gang-Symbolen und freilich den Logos verehrter Bands, meist aus dem Hardrock-, Deathmetal, Blackmetal oder Heavy-Metal-Bereich. Der Berliner Musiker Romano hat der "Metalkutte" unlängst sogar einen Song gewidmet. Generell scheint der Abend unter dem Begriff "Uniform" zu stehen. Die Stimmung ist ausgelassen und wild, der Münchner Norden verwandelt sich für ein paar Stunden in ein kleines Wacken-Festival. Es riecht nach Tabak und Bier, von allen Seiten wird gescherzt und gelacht.

Mit Zombies und Mumien: Lordi heizt Sabaton-Fans in München ein

Wenige Tage nach dem Eurovision Song Contest und den Siegern Schweden und Finnland heizen zwei berühmte Bands aus eben diesen beiden Ländern, samt einem japanischen Special Guest, dem Münchner Publikum ordentlich ein. Und dies nicht nur musikalisch. Dabei geht es keineswegs düster zu, sondern sehr fidel.

Die finnische Band Lordi pflegt seit jeher in ausgefallenen Kostümen aufzutreten und wirkt dabei wie eine Truppe Außerirdischer, die sich am Faschingsdienstag auf dem Viktualienmarkt versammelt hat und allen anderen Maskierten durch ihre perfekten Verkleidungen das Fürchten lehren. Ähnlich wie bei einer gelungene Kölner Karnevalssitzung wird auch hier publikumswirksam auf die Pauke gehauen, der Elferrat besteht aus glitzernden Skeletten, Teufeln und Monstern, die Särge und gruslige Symbole um sich scharen. Statt Süßigkeiten werden die Fans mit extrem lautem Sound, Flammen und Blitzen berieselt, es ist heiß wie in einem Kochtopf, der Umsatz an eiskaltem Bier entsprechend hoch. Der Sänger sieht aus, wie Till Lindemann im Gewand des nordischen Gottes Thor, die anderen sind Zombies oder Mumien. Nach einer Dreiviertelstunde ertönt der Song "Hard Rock Hallelujah", mit dem sie vor 17 Jahren den ESC gewannen.

Die ehemaligen ESC-Gewinner Lordi setzten bei ihrem Auftritt erneut auf Grusel-Masken.
Die ehemaligen ESC-Gewinner Lordi setzten bei ihrem Auftritt erneut auf Grusel-Masken. © Jens Niering

Die zweite Band besteht aus den Japanerinnen Babymetal. Harter industrieller Metal-Sound mit braven Texten von anmutigen Dark-Ladies zu adretten Tänzchen vorgetragen. Wie Funkenmariechen führen sie brav ihre einstudierten Choreografien vor. Die Frauen bezeichnen ihre Musik selbst als "niedlichen Metal" ("Kawaii Metal"), einem Klischee, dem sie durchaus gerecht werden.

Babymetal heizte den Münchner Fans im Vorprogramm von Sabaton ordentlich ein.
Babymetal heizte den Münchner Fans im Vorprogramm von Sabaton ordentlich ein. © Jens Niering

Sabaton in der Münchner Olympiahalle: Verwegen, mannhaft und kühn

Nun wird es aber Zeit für den Hauptact: Sabaton, die schonungslosen schwedischen Kriegsrocker. Zunächst wird für etwas Verwirrung gesorgt, irgendetwas scheint nicht zu funktionieren. Erst scheint eine Box ihren Geist aufzugeben, dann flimmert das Licht, Techniker laufen eine Sekunde aufgeregt auf der Bühne herum, was aber so schnell geschieht, dass jeder die Inszenierung dieser Momentaufnahme spürt. Denn schon lodern exorbitante Flammen empor und die Band sorgt mit großem Remmidemmi für Komplettüberforderung sensibler Ohren. Zwischen Doppeldeckern, eisernen Kreuzen und Panzern fühlen sich die Musiker so richtig wohl, sie beglücken das begeisterte Publikum mit Liedern namens "Geisterabteilung", "Das letzte Gefecht", "Geflügelte Husaren", "Soldat des Himmels" und "der Angriff der Toten". Dazu werden Salven aus Kanonen gefeuert wie verrückt.

Verwegen, mannhaft und kühn wird marschiert und gestampft, die Gitarrenklänge bahnen sich unbarmherzig ihren Weg in die Trommelfelle wie Geschütze. Die Special-Effekt-Techniker scheinen sich nach jeder Nummer schier zu überschlagen, ständig fliegt einem Rauch oder Schall um die Ohren, so muss sich der Uropa im Schützengraben gefühlt haben. Ein junger Bursche mit einem T-Shirt, auf dem "I FEAR NOTHING" steht, holt Ohrstöpsel heraus und wendet sie an.

Sabaton-Konzert wie eine Faschingsparty: Trinken, Spielmannszug, Orden, Schunkeln, Reime, Märsche und Böller

Die Texte von Sabaton beruhen laut eigener Aussage der Band rein auf historischen Fakten rund um die beiden Weltkriege, allerdings weisen sie im gleichen Atemzug jede Form von Kriegsverherrlichung strikt von sich. Nun ja, wie Pazifisten wirken sie jetzt auch nicht gerade, ihre Albenmotive bestehen aus stilisierten Reichstagsgebäuden, Stahlhelmen mit stolzen Adlern und Kameraden im Einsatz. "Der rote Baron" ist eine Hommage an Manfred Albrecht Freiherr von Richthofen und Johann Sebastian Bach. Als sie den Song komponierten, schlossen sie die Hammond-Orgel an den Gitarrenverstärker an, wie es zuvor schon Deep Purple getan hatte. Im Text heißt es: "Rot wie von Blut befleckt wandert er höher. Als Soldat vom Pferderücken bis hinauf in die Lüfte wird die Legende entstehen. Und er fliegt höher, der König des Himmels. Er fliegt zu schnell und er fliegt zu hoch. Auge um Auge. Die Legende wird niemals sterben." Der Saal singt jedes Wort mit. Da saust wieder eine Granate herab, der Frontman Joakim Brodén duckt sich scherzhaft und zwitschert sich, seinen weiblichen und männlichen Fans gleich, nebenbei ein paar Bierchen hinter die Binde. Als Fazit flammt erneut der Faschingsvergleich auf, denn an diesem Abend ist alles geboten, was eine vernünftige Sitzung braucht: Trinken, Spielmannszug, Orden, Schunkeln, Reime, Märsche und Böller. Darauf ein fröhliches Alaaf, Helau, Bumm, Täterä und skål!

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