AZ-Konzertkritik: Das Lächeln des Terminators

Audio von Carbonatix
München - Die Optik hat bei Konzerten schon immer eine Rolle gespielt, das ganze Brimborium, die Lichteffekte, die Videowände, die Inszenierung der Stars, ihr Look. Das ist ja der Reiz, dass man sie auf der Bühne in natura sehen darf, jenseits digitaler Medien, wobei die Fans ja oft ihr Smartphone zwischen sich und das Live-Erlebnis schieben.
Im Lauf des A-ha-Konzerts in der Olympiahalle drängt sich zudem die Frage auf, was eigentlich die drei, ihr vor fünf Jahren verkündetes Ende doch widerrufenden Norweger aus ihrer Warte sehen - ein Perspektivwechsel, der sich anbietet, weil der größte dramaturgische Bogen der Show offenbar darin besteht, was für eine Brille Sänger Morten Harket in welchem Moment trägt.
So hat er zunächst eine Fliegerbrille auf, die Jeans dunkel, die Lederjacke schwarz, das Shirt über dem gut durchtrainierten Körper ebenso. Und weil Harket, gute 56 Jahre alt, seine Gangart ruhig anlegt, fast nie spricht und die Bühne äußerst mäßig mit Präsenz oder gar guter Laune füllt, wirkt er ein wenig wie der Terminator: ein stoischer Zeitreisender, dem die Rampensau fern liegt und der sich auf seine Stimme konzentriert, die weiterhin wunderbar ins Falsett zieht.
Lahme Show vor halbleerer Halle
Harkets Blick also, er ist wohl nach innen gerichtet, weshalb er vielleicht auch gar nicht sehen muss, dass die Olympiahalle mit 7500 Fans mäßig ausgelastet ist. Viele leere Plätze und wenig Drive auf der Bühne, weil A-ha ihr Konzert ausgerechnet mit "I’ve Been Losing You" beginnen, einer frühen Ballade, die träge vor sich hindümpelt.
Besonders das neue Material, weniges vom neuen Album "Cast in Steel", will dann so gar nicht überzeugen, ist Konfektionsware ohne Wiedererkennungswert, poppig, mal rockig, ohne zu packen. Da mögen die Animationen auf den Videowänden noch so farbenfroh explodieren, es springt kein Funke über: Die Menge vor der Bühne will explodieren, wird aber durch Musik und fehlende Energie still gelegt.
Während Magne Furuholmen sich von seinem Keyboard aus moderierend um etwas Publikumskontakt bemüht, bleibt Gitarrist Pål Waaktaar-Savoy bis auf wenige Soli unscheinbar. Und Harket? Hat bald eine stinknormale Brille auf, mehr Akademiker als Rocker, legt mit Background-Sängerin Anneli Drecker eine fein harmonierende Version von "Crying In The Rain" hin, bleibt aber im Roboter-Modus. Wenn er nicht gar verschwindet, so dass Furuholmen ganz das Ruder übernimmt, die Aussicht kommentierend: "Wisst ihr, das ist schon beängstigend, vor euch hier in der Mitte zu stehen."
Alte Hits retten den Abend
Der Abend wäre schlicht und ergreifend ein Reinfall, wenn es da nicht die Hits aus den Achtzigern gäbe. Und siehe da, bei "Hunting High And Low" ist plötzlich alles anders, da ergreift die Melodie, da zieht das Tempo an, hin zu einem Höhepunkt, wie es schon immer bei diesem Song war. Und sie belassen es ausnahmsweise nicht beim Eins-zu-Eins-Wiederholen, sondern Waaktaar-Savoys Gitarre setzt, als die letzte Note eigentlich schon verklungen ist, noch mal solo ein. Harket fordert die Fans zum Mitsingen auf, singt zaghaft, dann stärker drüber, und wenn er dann lächelt, ach, dann schmilzt alles.
Als letzte Zugabe dann der größte Hit, "Take On Me", mit dieser genialen Hookline, diesen stetig aufsteigenden Linien, dazu auf den Videowänden Ausschnitte aus dem legendären Schwarz-Weiß-Video von 1985, das von einer Jagd in einer verkrumpelten Papierwelt erzählt, hin zur Realität und einer Kellnerin, die sich bestimmt in den gezeichneten jungen Harket verknallt hat. Harket, der Alte im Hier und Jetzt, hat wieder die Fliegerbrille auf, und, fast verpasst man es, setzt sie einmal ab, ist brillenlos, sieht nichts. Aber man blickt mit ihm durch zu guten alten Zeiten, als nichts aufregender war als dieser Synthie-Sound und diese Stimme. Der Abend – gerettet, nach viel zu wenigen A-ha-Effekten.
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