Album von Münchner Saxofonist Frischmann: Antworten auf Nadelstiche
München - Was entsteht, wenn sich der Tenorsaxofonist Maxim Frischmann von seinen Erfahrungen der letzten sieben Jahre in Jazz-Orchestern dazu inspirieren lässt, seine eigene Debüt EP für sein Quartett zu schreiben? Ein Pulsieren zwischen komponierter und improvisierter Musik. "Un-Development" heißt deshalb auch die EP des 27-jährigen Münchners.
Album entsteht über zwei Jahre hinweg als Jam
Angetrieben von dem Frust über ausgefallene Konzerte und eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten der letzten Jahre entstand die Platte über zwei Jahre hinweg als Jam zwischen Frischmann und Musikern der Leipziger Musikhochschule: mal zurückhaltend und stoisch, dann kontrolliertes Chaos, gelassen, aber nie träge.
Improvisiertes Zusammenspiel um Frischmanns Saxofon-Melodien herum
Frischmanns Stil ist durchaus auch traditionell, man hört also den akademischen Weg, denn er bisher als Musiker eingeschlagen hat - und dann nimmt er plötzlich Ausfahrten, die ins Freie führen.
Die Stücke sind weniger Akkord-Progressionen als improvisiertes Zusammenspiel um Frischmanns Saxofon-Melodien herum. Beeindruckend sind die sprunghaften Wechsel der Dynamiken und Motive der Instrumente. Ansonsten hält sich Frischmann auch zurück und lässt seinem Quartett den Vortritt.
Auch im Stilleren herrscht hier immer eine starke Intensität
Pianist Leandro Iragaorri funkt ein ums andere Mal dazwischen, seine Läufe wirken wie Nadelstiche, reizen Frischmann zu noch ruhigeren, noch schwermütigeren Antworten in diesem Call-and-Response-Schema, während die Rhythmus-Sektion um Paul Brauner (Kontrabass) und Michael Cina (Drums) meditativ ihre Bahnen um die Solisten zieht - wie im Titel "Pretty OK!"
Auch im Stilleren herrscht hier immer eine starke Intensität. So gelingt ein regelrechter Energieaustausch von Soli und leuchtend hellen Läufen. Sobald die Band wiederum schwelgerisch ins Sphärische gleitet, klingt sie, als vertone sie einen psychedelischen 70er-Jahre-Film - und man versteht, was mit dem titelgebenden "undeveloped Jazz" gemeint ist.
Geist stumm schalten - und eintauchen
Das Lied "Bird Motion" erinnert zum Beispiel stark an die experimentellen Miles-Davis-Stücke. Bei jedem neuen Hören entfaltet sich die Musik in eine andere Richtung, werden verborgene Details hörbar und es entwickeln sich neue hypnotische Strömungen.
Man muss sich darauf einlassen und der Musik etwas Zeit geben, das erfordert wiederum ein Stummschalten des Geistes, um Visionen und Ideen außerhalb unseres normalen Wissens über Musik zu erlauben - und um wirklich in die neue EP "Un-Development" einzutauchen zu können.