Mozart war doch eine Kugel
Der frühere Münchner Stadtarchiv-Chef will unser Bild des Genies revolutionieren
Die Frage, wer Wolfgang Amadeus Mozart wirklich war, gehört zu den großen Rätseln der Kultur. Zu wenig ist von dem Komponisten (1756 – 1791) außer seiner Musik überliefert, zu viel verklärt und idealisiert, als dass man ein wirklich scharfes Bild haben könnte.
Trotzdem glaubt heute fast jeder, ein Bild von Mozart vor Augen zu haben – doch es ist geprägt von posthumen Fantasien, die aus dem romantischen Genie- und Heldenkult des 19. Jahrhunderts entstanden. Abbildungen, die zu Mozarts Lebzeiten angefertigt wurden, sind selten und zeigen ihn meist nur im Profil.
Weggeräumt von der Yoko Ono der Klassik
Nun gibt es in der Münchner Residenz eine Mozart-Büste, die 1811 im Auftrag des späteren Königs Ludwig I. von dem Züricher Bildhauer Heinrich Keller angefertigt wurde. Sie zeigt einen ungewohnten Mozart: runder Kopf, pausbäckig, wenig markante Züge. Dieser Marmor-Kopf, er steht im ersten Vorzimmer des Kurfürsten, galt bislang als künstlerisch schwache Arbeit, eine Art lokale Mozart-Skurrilität.
Das war womöglich ein Fehlurteil. Richard Bauer, Ex-Chef des Stadtarchivs, legt nun eine wissenschaftliche Arbeit vor, in der er einen eindrucksvollen Beweis führt, dass die Münchner Büste dem echten Mozart viel näher kommt als gedacht. Dazu ermittelte er die dem Bildhauer zur Verfügung stehenden Vorlagen, überprüfte deren Qualität und verglich sie mit dem Ergebnis. Bauers Fazit: „Die Münchner Büste ist eine durch und durch ehrliche Rekonstruktion. Sie hat mehr Respekt verdient.“
Doch wie konnte sie so verkannt werden? Bauers These ist, dass Mozarts Witwe Konstanze – quasi eine Art Yoko Ono der Klassik – das öffentliche Bildnis ihres verblichenen Gatten gezielt geschönt und idealisiert habe. So habe sie auch die Münchner Büste abgelehnt und buchstäblich ins hinterste Eck wegstellen lassen. Doch manchmal kommt die Wahrheit spät ans Licht – auch wenn sie runder ist als gedacht.
Michael Grill
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