Monetäre Mafiamethoden
Punktgenau zur Wirtschaftskrise beleuchtet Filmemacher Erwin Wagenhofer, in seiner Doku „Let’s Make Money“ die Machenschaften der Weltfinanzmärkte. Am Donnerstag läuft der Film an.
Punktgenau zur Wirtschaftskrise beleuchtet Filmemacher Erwin Wagenhofer, der mit „We Feed The World“ die Absurditäten der globalen Nahrungsmittel-Produktion vorgeführt hat, nun in seiner Doku „Let’s Make Money“ die Machenschaften der Weltfinanzmärkte. Am Donnerstag läuft der Film in Nürnberg im CineCittà und im Filmhaus, in Erlangen in den Lamm-Lichtspielen an.
AZ: Herr Wagenhofer, mit dem Börsencrash sind die düsteren Prognosen Ihres Films noch vor dem Kinostart Realität geworden. Fühlen Sie sich bestätigt?
ERWIN WAGENHOFER: Es war klar, dass es zu dieser Krise kommen musste. Das haben alle Experten vorhergesehen und im Rückblick klingt das umso schrecklicher, dass man trotzdem so ungebremst ins Unheil läuft. Aber „Let's Make Money" ist kein Film über die aktuelle Bankenkrise, sondern kritisiert ein Wirtschaftssystem, das vollkommen aus dem Ruder gelaufen ist.
Wie haben Sie sich diesem komplexen Thema genähert?
Ich bin kein Experte, und Experten sind sehr empfindlich, wenn Laien gewisse Fragen stellen. Eben das habe ich mir zum Prinzip gemacht. Ich verstehe gewisse Dinge nicht; durch den Film versuche ich, diese Fragen zu beantworten.
Anders als die Nahrung ist Geld ein sehr abstraktes Sujet. Wie sind Sie mit diesem Problem umgegangen?
Alle haben mich für verrückt erklärt, als ich sagte, dass ich einen Film über das Finanzsystem machen will. Dem Geldschein kann man – anders als der Tomate in „We Feed The World" – nicht hinterher reisen. Geld wird in das System eingespeist, dann ist es nur noch eine Buchungszeile. Ich versuche, Bilder von den Auswirkungen zu finden und die Haltungen der Personen, die mit dem Geld umgehen, aufzuzeigen. Aus vielen Informationen muss man dann einen Mix machen, der für das Publikum verwertbar ist.
Wie sind Sie an die Finanzmanager rangekommen?
Das ist das Schwierigste. Beim Dokumentarfilm gilt es, eine Gleichung mit vier Unbekannten zu lösen. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, richtige Personen müssen das Richtige sagen. Ich recherchierte die Heimatadresse von Josef Ackermann, dem Chef der Deutsche Bank, schrieb ihm einen Brief – vergeblich. Gerhard Schwarz, Leiter des Wirtschaftsressorts der „Neuen Züricher Zeitung" und Duz-Freund von Ackermann, half uns. Dann fand die Presseabteilung der Deutschen Bank im Internet heraus, was ich über den Nestle-Chef Peter Brabek gesagt habe. Sofort wurde der Termin gestrichen. Es ist enorm schwer, mit diesen überheblichen Leuten zu kommunizieren, und jetzt liegen sie am Boden und wollen gerettet werden.
Der Berufsstand des „Wirtschaftskillers", den Sie im Film vorstellen, war uns bisher nicht geläufig.
Ich habe die Aussagen, die der ehemalige Angehörige des US-Geheimdienstes John Perkins in seinem Buch und auch im Film macht, von einem Weltbankspezialisten in Wien überprüfen lassen. Was Perkins beschreibt, ist ein extrem effektives Instrument. Eine flexible Einsatztruppe, die mit Krediten der Weltbank ausgestattet ist, wird in ein Land, von dem man zum Beispiel Öl haben will, vorgeschickt, um die dortige Wirtschaftselite zu korrumpieren und in die Verschuldung zu treiben. Das ist eine erprobte Methode. Die Mafia macht das auch nicht anders. Und solange das Land einlenkt, ist das sogar ein relativ friedliches Verfahren.
„We Feed the World" zielte direkt auf die Veränderung unseres Verbraucherverhaltens. Welche Konsequenzen soll das Publikum aus „Let's Make Money" ziehen?
Die Konsequenzen werden nicht aus der Krise gezogen werden. Ich will nur zeigen, dass es zu einer solch entfesselten Situation kommt, weil man sie entfesselt hat. Wenn sie einem Würstelverkäufer sagen, „gib mir 100 Euro und du bekommst in einem Jahr das Dreifache zurück", dann rückt der das Geld nicht heraus. Die Banken tun das. Im Leben braucht man gewisse Regeln. Wenn man alle Ampeln abschaltet, würde sich im Straßenverkehr das Recht des Stärkeren durchsetzen. So eine Situation haben wir jetzt im Finanzsektor. Man muss wieder regulieren und interessanterweise sind ja jetzt die ersten, die regulieren, ausgerechnet die Amerikaner, die sich in ihren Sonntagspredigten am meisten für Liberalisierung und Privatisierung eingesetzt haben. Wer hätte sich vor einem Jahr träumen lassen, dass in den USA oder in England Banken verstaatlicht werden?
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?
Ich bin kein Prophet, aber diese Krise wird zu einer Rezession und einer Form von Regulierung führen. Aber ein grundsätzliches Umdenken gibt es nicht. Das Geld, das jetzt ins Banksystem gepumpt wird, bekommen ja wieder die Falschen. Das müsste man den US-Häuslebauern geben, damit die ihre Schulden abbezahlen können. Wenn man es den Banken gibt, besitzen die dann die Häuser, bekommen die Milliardenbeträge aus dem Staatshaushalt, während die Privatleute auf der Straße sitzen.
Interview: Martin Schwickert
- Themen:
- Banken
- Deutsche Bank
- Mafia
- US-Geheimdienste