Mohn und drei Männer
„Clara Driscoll und die Tiffany Girls“ in der Villa Stuck: Das berühmte Lampen-Design stammt nicht vom Chef, sondern von der Werkstattleiterin
Glyzinien, Goldregen, Klatschmohn und Kapuzinerkresse – die kostbaren, handgefertigten Glasleuchten aus den New Yorker Tiffany-Werkstätten brachten mit ihrem floralen Jugenstil-Design die Erinnerung an den Sommer und ein warm schimmerndes Licht in die Salons der Zeit um 1900. Heute sind sie begehrte Sammlerstücke.
Bisher galt Firmengründer Louis Comfort Tiffany auch als Chef-Entwerfer. Doch die Kuratoren der Ausstellung „Tiffany in neuem Licht. Clara Driscoll und die Tiffany Girls“, die jetzt in der Villa Stuck zu sehen ist, schreiben die Design-Geschichte um: Die jüngste Aufarbeitung von Driscolls Briefwechsel ergab, dass viele der berühmten Lampenentwürfe von der Leiterin der Glasschneidewerkstatt stammen.
Frauen mit Gespür fürs Vegetabile
Seit einem Streik 1892 arbeiteten dort ausschließlich bis zu 35 Frauen, weil sie nach Ansicht von Louis Tiffany mehr Gespür für vegetabile Farben und Formen besaßen. Die Männer waren fürs anschließende Zusammenlöten der Bleiglasfassungen zuständig.
In dieser Schau kommen nicht nur Art-Nouveau-Liebhaber auf ihre Kosten, sondern sie illustriert auch ein Stück (weibliche) Sozialgeschichte, erzählt viel über die Zeit um 1900 in New York. So kann Clara Driscolls Vita fast als exemplarisch gelten für eine große Zahl aufstrebender junger Frauen, die gerade im Bereich von Kunst und Kunsthandwerk aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten schnell in die neue urbane Mittelschicht aufstiegen. Doch Voraussetzung für eine Anstellung bei Tiffany war, wie damals allgemein üblich, dass eine Frau ledig oder verwitwet sein musste. Mit einer Heirat schied sie automatisch aus der Firma aus.
Aus nach der Heirat
Clara Driscoll, die seit 1888 für Tiffany tätig war, beendete das Arbeitsverhältnis ebenfalls mit ihrer ersten Heirat. Doch ihr 30 Jahre älterer Gatte starb schon kurze Zeit später, und so kehrte sie 1892 in den inzwischen vergrößerten Betrieb zurück. Aber auch die zweite Ehe von 1896 endete unglücklich: Der Mann erkrankte und verschwand während einer Reise spurlos, tauchte erst Jahre später wieder auf. Da hatte Driscoll die Arbeit bereits ein drittes Mal wieder aufgenommen, diesmal als Werkstattleiterin.
Es folgte ihre erfolgreichste Zeit, sie mehrte den Ruhm von Tiffany mit Stehlampen wie „Butterfly“ (mit Alice Gouvy, 1898), „Peony“ (Pfingsrose, um 1900), „Dragonfly“ (Libelle, 1903) oder „Poppy“ (Klatschmohn, 1906). 1909 heiratete sie zum dritten Mal – und verließ Tiffany für immer.
.Roberta De Righi
<>Bis 17. Januar, Di bis So 11 bis 18 Uhr, Katalog 19.90 Euro
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