Mittelstands-Clownerien in der Gebärmutter
Die Erleichterung darüber, dass es gar nicht weh getan hat, ist dem Uraufführungspublikum nach 100 Minuten anzumerken: Großer Jubel im Cuvilliéstheater am Vorabend des Muttertags für „Kinderkriegen” der österreichischen Dramatikerin Kathrin Röggla, die am Freitag den Arthur-Schnitzler-Preis zugesprochen bekam. Die monströse Röhre, in die der Betrachter schaut und die als stilisierter Uterus sich dräuend über die Bühne erhebt (Ausstattung: Stefan Hageneier), ist kein Schauplatz einer bösartigen Farce über Elend und Fall der Erziehung, auch wenn es einmal so gemeint gewesen wäre.
Das „Musikstück”, das das Staatsschauspiel bei Röggla in Auftrag gegeben hatte, ist vor allem eine weitgehend unstrukturierte Materialsammlung zum Thema Kinderhaben und Kindernichthaben, zu der in der Inszenierung von Tina Lanik das Münchner Duo Pollyester angemessen unbedeutend minimalistischen Pop beisteuert. Aus den meist als antiker Chor in Super-gut-drauf-Tanzlaune auftretenden Darstellern schält sich immer wieder kurzfristig ein prototypischer Mittelstands-Clown heraus: Ulrike Arnold als Oma, Juliane Köhler als späte Mutter, Friederike Ott als „Rabenmutter”, Hanna Scheibe als Kinderlose, Gunther Eckes als „engagierter” Vater, Arnulf Schumacher als Bundestagsabgeordneter, Miguel Abrantes Ostrowski als „Lufthansamensch” und Leopold von Verschuer als „Spätberufener”.
Kinder treten in Rögglas Text nicht auf, aber Lanik lässt für einen Augenblick den Sohn des „Engagierten” als dessen kleinen Klon erscheinen. Das ist schon das Überraschendste an einem Abend, der irgendwie anfängt, an dem man mal mehr, mal weniger gelangweilt einer um ihre Witzigkeit ringende Truppe zusieht, und der irgendwie aufhört wie das restliche Leben auch. „Hew the bubble gum”, kau den Kaugummi, trällern Bassgitarristin Polly und ihr Perkussionist. Präziser lässt sich die windelweiche Show nicht zusammenfassen.
Cuvilliéstheater, 13., 14., 18., 22. und 29. Mai 2012, 20 Uhr
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