Mit Sokrates zu mehr Lebensglück

Rebekka Reinhard hat eine philosophische Praxis, um mit uns Lebensfragen zu klären. Gerade hat sie das Buch "Schön!" über den Optimierungswahn geschrieben
Adrian Prechtel |
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Rebekka Reinhard hat eine philosophische Praxis, um mit uns Lebensfragen zu klären. Gerade hat sie das Buch "Schön!" über den Optimierungswahn geschrieben

 

Westermühlstraße, Altbau, renoviert. Aber Rebekka Reinhard versichert, ihre Räume seien kein Beispiel für das Yuppie-Phänomen oder Ausfluss der Gentrifizierung: „Ich wohne schon viel länger hier!“ Man hat den dritten Stock erklommen, und hier durchflutet Licht die Wohnung mit Praxis. Der Blick fällt gleich auf ein Sofabett mit Ethno-Wandteppich dahinter und dunkler Überdecke. Und da kommt sie doch auf, die Assoziation mit der berühmten Wiener Couch von Doktor Freud. Inhaltlich ist das ein Missverständnis, denn Rebekka Reinhard löst keine psychischen Verstrickungen, sondern klärt Lebensfragen – und das im Nachbarzimmer im Gespräch am Schreibtisch mit Sesseln. Gerade hat sie, selbst schön, das Buch „Schön!“ verfasst. Und so gerät man schnell in die Diskussion über „schön sein, schön scheinen“ und eben: schön leben! „Ja, das Thema ist tragisch durch die Gleichung: schön, jung, also vergänglich“, sagt sie und kommt schnell zum Kern: Kann man uns vom Optimierungswahn abbringen? „Schwer“, meint Reinhard, „was machbar ist, wird gemacht. In unserer ,metaphysischen Obdachlosigkeit’ suchen wir ununterbrochen nach Sinnsubstituten, nach scheinbar sinnstiftenden Dingen. Und da ist die Beschäftigung mit dem eigenen Körper und Schönheit ein Sinnersatz.“ Das wird weiter zunehmen, glaubt Rebekka Reinhard, weil Schön-Werden und -Bleiben eben auch ein chirurgisches Phänomen sei, das voranschreitet und eine ganze Industrie und unsere Medienwelt davon abhängt. „Und jetzt sind auch noch die Männer im scheinbaren Zugzwang. Seit den 68ern ist das Ego der Frau erstarkt, der Mann wird daher zunehmend zum Sexobjekt, das sich anpreisen muss.“ „Warum Männer Wollmützen tragen und sich die Haare ausreißen“, heißt dann auch ein Kapitel zu diesem Phänomen in Reinhards Buch. Aber wer kommt eigentlich zu einer Philosophin und lässt sich beraten? „Alle Typen, alle Alter“, aber es gebe meist einen konkreten Anlass – wie eine Krise der Liebe. „Ich versuche den Klienten geistig wegzulocken vom dauernden Umkreisen des persönlichen Problems. Man redet dann über die Liebe, ihre Funktion beim Menschen und ihren Stellenwert im Leben. Wer darüber nachdenkt, wird freier, gewinnt Abstand zu seinem Problem.“ Philosophie als Weg, sich weniger fremdbestimmen zu lassen. „Wenn ein Mensch dann merkt, dass sein Problem eingeordnet werden kann, verliert es seinen Schrecken, wird zur Herausforderung, im besten Fall zum belebenden Abenteuer“ – Philosophie als Weg vom Denken zum Handeln. Beim nochmaligen Blättern durch das Buch „Schön!“ stößt man plötzlich auf ein Hitlerbild. „Ja, es geht ja auch um abgründige Aspekte, was am schönen Schein fasziniert: Charisma, Rhetorik und Inszenierung. Das gilt es zu entlarven. Wer aber ein Gespür für wahre Schönheit hat, kann Sinn im Leben erfahren“, sagt Reinhard, und das ist auch eine ihrer Lebensphilosophien. Im Nebenraum hängt ein Poster von Marilyn Monroe.

Dr. phil. Rebekka Reinhard, Philosophische Beratung, Westermühlstraße 13,

 

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