Mit Herz und Hormonen
Ein sehr lebendiger Klassiker: Dieter Dorns „Figaro“-Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper
In einer Tour wird hier gegluckst. So, wie das eben ist, wenn man zu viel Prosecco erwischt hat. Aber Mozarts „Figaro“ läuft halt gar zu gut runter, schäumt in der Bayerischen Staatsoper auf Festspielniveau und verpasst ein paar Prozente mehr als die üblichen Prickelwasser.
Dieter Dorns feinsinniger Bäumchen-wechsle-dich-Reigen hat mittlerweile 13 Jahre auf dem Buckel und verströmt immer noch den Duft eben erst geernteter Erdbeeren (im leicht schrapplig gewordenen Spankorb). Wenn das Bühnenpersonal Lust hat und sich auf die Details einlässt, die von Dorn köstlich übersetzten Mozart-Da-Ponte-Spielchen bis ins Letzte ausreizt, dann funkt diese Inszenierung ins Herz und ins Hirn. Und die Herrschaften hatten Lust.
Gierige Grafenhände
Mariusz Kwiecien als Conte Almaviva gleich so viel, dass er die gierigen Hände kaum am Schwerenötersrocksaum behalten, aber immer noch gräflich baritonal auftrumpfen konnte. Dass seine Contessa eifersüchteln musste, war vorprogrammiert. Barbara Frittoli gab der armen Betrogenen allerdings Prägnanz, auch eine Souveränität, die man gemeinhin vermisst. Und obwohl ihre Stimmbänder vor allem Verdi stemmen, fand sie im dritten Akt doch zu geschmeidigen Tönen.
Damit hatte die lyrische Camilla Tilling zwar keine Probleme, bloß fehlt’s der blassen Blonden an Susanna-Witz. Gut also, dass es den hormondurchfluteten Cherubino gab: Mit Honigmilch-Mezzo mischte Anna Bonitatibus die Weiblichkeit auf, und man konnte verstehen, dass die Herren not amused waren. Besonders Ildebrando D’Arcangelo wurde seinen amourösen Gram mit geschmackvoll geführtem Bassbariton los und gab seinem Figaro Charme und nobel-diskreten Sexappeal.
Das Staatsorchester? Hat seinen Mozart eh drauf. Und könnte sich der engagierte Juraj Valcuha etwas flexibler auf die Tempi des Bühnenpersonals einlassen, dann würde auch dieses Team-Spiel noch richtig gut.
Christa Sigg