Mit der Welt im Argen liegend
Nach dem Tod Salingers ist „Der Fänger im Roggen“ ausverkauft. Im Internet werden überhöhte Preise verlangt, und Biografen des Autors warten unruhig in den Startlöchern
Kaum war J.D. Salinger tot, begann für den geheimnisvollen US-Autor ein postumes Leben – in den Medien, im Buchhandel, im Kino. Die Nachrufe auf den 91-Jährigen haben es klar gemacht: Den Kultroman „Der Fänger im Roggen“ (1951) muss man gelesen haben, am besten als Jugendlicher, wenn man wie Holden Caulfield mit der Welt im Argen liegt. Das aber ist für Salinger-Neulinge gerade nicht so einfach, denn das Buch ist ausverkauft, und im Internet laufen die Taschenbücher über dem Normalpreis. Selbst für die verstümmelte Heinrich-Böll-Übersetzung verlangen acht Anbieter knapp 40 Euro. Da wäre sogar die gebundene Neuübersetzung von Kiepenheuer & Witsch (KiWi) günstiger, die regulär 15 Euro kostet, wenn man denn einen Buchhändler fände, der sie vorrätig hat.
Der Kölner Verlag hat seinem berühmten Autor (deutschsprachige Gesamtauflage von 2,2 Millionen Exemplaren) auf seiner Homepage eine Gedenkseite eingerichtet und kündigt Neuübersetzungen der Erzählungen an.
Der Nachlass als Geheimnis
Da es wohl noch etwas dauern wird, bis das Geheimnis gelüftet ist, wie umfangreich Salingers Nachlass ist, sind US-Journalisten dabei, anstelle des weltweit verehrten Autors die Gemeinde, in der er ein halbes Jahrhundert unbehelligt gelebt hat, heilig zu sprechen. In einer Mail an die „Valley News“, die lokale Zeitung von Cornish, hatte Salingers Witwe Colleen O’Neill den Nachbarn für ihre jahrelange Hilfe gedankt und dafür, dass sie ihm so viele Jahre eine „Schutzhülle“ geboten hätten. Und seit einigen Tagen hängt in der National Portrait Gallery in Washington das Salinger-Porträt von Robert Vickery, das 1961 das Cover des „Time“ Magazins zierte.
Profitieren von Salingers Nachruhm möchte Hollywood-Drehbuchautor Shane Salerno, 37, der seine Doku „Salinger“ bei den Filmfestspielen in Cannes im Mai zeigen will. Der Film, der nach der lesenswerten Biografie von Paul Alexander entstand, präsentiert mehr als 150 Interviews mit Zeitzeugen, darunter Tom Wolfe und Gore Vidal.
Die Biografen
Schon am 15. März will Kenneth Slawenski seine Biografie „J.D. Salinger“ in den Handel bringen. Damit tritt er in Konkurrenz zu Eberhard Alsen, der ebenfalls eine Studie zu Leben und Werk des Unbekannten fertiggestellt hat..
Nur einer gefiel sich in der weltweiten Trauer in der Rolle des Provokateurs: Bret Easton Ellis („American Psycho“). Er twitterte: „Yeah!! Thank God he’s finally dead. I’ve been waiting for this day for-f - - - ing ever. Party tonight!“ Die Party hat er wohl allein gefeiert.
Reinhard Helling
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