Mit der Katzenpissepistole gegen gierige Heuchler

Ein Lieblingsliedermacher mit politischem Impetus: Funny van Dannen über seinneues Album „Saharasand“, das er am Donnerstagauch in der Münchner Muffathalle vorstellt
von  Abendzeitung

Ein Lieblingsliedermacher mit politischem Impetus: Funny van Dannen über seinneues Album „Saharasand“, das er am Donnerstagauch in der Münchner Muffathalle vorstellt

Er zielt weiterhin mit feinem Spott durch die Brust ins Hirn, der listige (und auch lustige) Liedermacher Funny van Dannen. Im Titelsong seines neuen Albums „Saharasand“ philosophiert er etwa: „Was ist gefährlicher: Rassistische Polizisten oder Saharasand?“ Und erklärt das im AZ-Gespräch so: „Ich halte das gesellschaftliche Klima mindestens für genauso wichtig wie Wetter und Klimawandel.“ Seine Karriere und seine hintersinnigen Schelmenstreiche, die er auch für Die Toten Hosen liefert (etwa die Anti-FC-Bayern-Hymne), scheinen krisenfest. Die ersten Konzerte der laufenden Tour waren ausverkauft. „Dass ich nach 15 Jahren noch vor so vielen Leuten spielen kann, ist eine tolle Sache“, sagt der „widerwillige Prominente“.

AZ: Funny van Dannen, ein neuer Song heißt „Sozialismus" . Haben Sie angesichts des Wahlausgangs heute mal wieder unkontrolliert „Sozialismus" gerufen?

FUNNY VAN DANNEN: Das hat sich gelegt (lacht).

Ist der Song nach der Wahl wichtiger geworden oder überflüssiger?

Weder noch. Es geht in dem Lied ja um eine Macke, die einer hat, mal wieder ein Wort in die Runde zu werfen, was so verpönt ist. Verdient hat es das nicht. Weil dem Sozialismus die gute Idee zugrunde liegt, mehr den Gemeinsinn zu beachten als den Profit einzelner.

Da müsste das Lied ja aktueller geworden sein.

Joo, aber ich finde die ganze Entwicklung gar nicht so schlecht. Vordergründig ist das Wahlergebnis ein Desaster. Aber wir haben eine Bundeskanzlerin, die bestätigt wurde wie ein Mann, unabhängig, ob sie gute oder schlechte Politik gemacht hat. In puncto Gleichberechtigung sind wir also einen Schritt weiter. Und wir haben demnächst einen homosexuellen Außenminister. Das ist auch für diese Minderheit eine schöne Anerkennung. Es ist natürlich immer mit Ironie verbunden, wenn solche Fortschritte über den konservativen Umweg genommen werden müssen, aber immerhin.

Fest steht, dass man auf den Sänger mal wieder nicht gehört am Wahlsonntag.

Daran bin ich ja gewöhnt.

Geht es da dem Volk wie dem Sänger, der in einem Lied um funktionierende Instinkte flehen muss.

Kann sein. Ich hoffe, dass ich meine noch beieinander habe. Aber bei den Volksinstinkten bin ich da öfter enttäuscht worden.

Müsste man mit Ihrer „Katzenpissepistole“ nicht nur die Hedgefonds-Herren und Heuchler belästigen, sondern auch das Wähler-Volk?

Finde ich schon. Was sich auf der Polit-Bühne tummelt, spiegelt ja nur die Verhältnisse im Volk wider. Die Gier nach Pöstchen, das Gewese, wo es nicht darum geht, Probleme zu lösen, sondern zu verwalten. Das kennt man auch von kleinen Leuten. Und das ist auch unter Künstlern so, denen es nicht um die Kunst geht, sondern um gesellschaftliche Repräsentation.

Wir sind verwahrlost.

Wir sind moralisch verwahrlost. Ich sehe das in Verbindung mit der geistig-moralischen Wende von Helmut Kohl. Da ging auch der politische Anstand den Bach runter. Wo auch nicht Verantwortung übernommen wurde für Missverhalten, sondern mit dem Wort „Blackout“ pseudomedizinisch weggefegt wurde. Hatte kurz kein Blut im Kopp – kann passieren!

Im Lied „Katzenpissepistole“ geht es auch um Rache, bei Ihnen schelmische Phantasien. Steht Ihnen beim Wunsch nach Radikalität die eigene Harmonie im Wege?

Eher der Realitätssinn. Das Lied ist Ausdruck von Hilflosigkeit. Dass man sich in Albernheit flüchtet, wenn nichts zu retten ist. Ich glaube, dass Ironie die Sprache des Verlierers ist. Ein Mächtiger braucht nicht zu spotten. Was nutzt einem auch alle Radikalität, wenn vorauszusehen ist, dass sie nicht zum Besseren führt.

Können Sie richtig wütend werden?

Klar, manchmal. Aber ich bin auf Harmonie bedacht und von der Macht des guten Willens überzeugt. Jesus dachte schon so, die Hippies auch, und das hat sich bis zum Positive Thinking erhalten.

Kann man heutzutage locker bleiben?

Ich werde eher unlocker, weil ich keine Verbesserungen sehe. Nehmen wir Bildung und Integration: Dafür sind wir schon vor 20 Jahren auf die Straße gegangen. Das ist ja alles heute viel schlimmer.

Ihre politische Haltung servieren Sie aber auf Umwegen.

Ich bin ja nun auch kein Prediger. Sondern in erster Linie Unterhaltungskünstler. Ich möchte, dass die Leute einen schönen Abend haben. Mein Protestsänger-Anteil ist nur eine Facette. Aber: Jedes Lied, jede gute Regung kann die Welt verändern.

Andreas Radlmaier

Funny van Dannen stellt „Saharasand“ (Trikont) am Donnerstag, 20.30 Uhr, in der Muffathalle vor, Karten vorhanden

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.