Melodien liebevoll gestreichelt
Vor fünf Jahren hat die französische Pianistin das fünfte Klavierkonzert von Beethoven auf CD aufgenommen: unpathetisch, klar strukturiert, eine durchaus „moderne” Deutung, deren Sinn sich nach mehrmaligem Anhören zaghaft erschloss. Live in der Philharmonie versuchte Hélène Grimaud erneut, ihr kühles, energisches Konzept durchzusetzen.
Christian Thielemann folgte ihr höflich. Doch Harmonie hört sich anders an. Lorenz Nasturica-Herschcovici am ersten Geigenpult der Münchner Philharmoniker ließ die Pianistin in keinem Moment aus den Augen, um jene rhythmischen Ungenauigkeiten aufzufangen, die sich immer wieder einschlichen. Grimauds Beethoven, keineswegs perfekt, ohne zu grübeln, aber voller Energie, machte trotz allem mächtigen Eindruck.
Zu den Haydn-Variationen von Johannes Brahms hatte sich Christian Thielemann verblüffend langsame Tempi ausgedacht. Sie gestatteten ihm, die melodischen Momente besonders liebevoll zu streicheln. Beethovens Siebte zum Finale bot keine Überraschungen. Sie erklang deftig, draufgängerisch dramatisch. Dirigent und Orchester gaben sich keine Blöße, sieht man von einigen Bläser-Irrwegen ab. Ein Allerweltsprogramm, dessen Happy End unausweichlich war: Thielemann und die Münchner Philharmoniker wurden ausgiebig bejubelt. Für aufregende Experimente sind schließlich andere zuständig.