Mehr Konsens wagen
Lange Zeit hielt unser Oberbürgermeister die leidige Gasteig-Akustik für ein bürgerliches Luxusproblem. Nun hat er eine Volte geschlagen: Am Freitag stellte er sich im Rathaus an die Spitze jener, die den Umbau der Philharmonie zu einem modernen Konzertsaal wollen.
Eigentlich war Christian Ude diese Woche mit der Sympathiewerbung für die Winterolympiade 2018 ausgelastet. Aber er musste einer für den 14. März im Hubert-Burda-Saal anberaumten Werbeveranstaltung der Befürworter eines Neubaus zuvorkommen. Nach dieser Kurskorrektur des OB wird es für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks schwer, weiter einen eigenen Saal zu fordern.
Kern von Udes Vorschlag ist daher ein Umbau der Philharmonie, deren akustisches Potential von fünf renommierten Akustikern bestätigt wurde. Auf diese Weise ließe sich der Kulturklotz am Isarhochufer weiterentwickeln, in den die Stadt wegen ausstehender Leasingraten und einer Restwertablöse auf jeden Fall bis 2030 noch 60 Millionen Euro investieren muss. Mit weiteren 70 Millionen ließen sich die akustischen Energien durch eine Stauchung des Saals ballen. Wenn morgen ein Kompromiss mit dem BR-Symphonieorchester erreicht werde, könnte die neue Philharmonie in fünf Jahren fertig sein.
„Kühne Visionen beflügeln den Fortschritt keineswegs immer”, sagte Ude in Richtung Befürworter eines Neubaus. Sie könnten dazu führen, dass „jahrelang realistische Schritte” unterblieben und „das Publikum entsprechend lange hingehalten” werde. Das Beispiel des gescheiterten Magnetzugs Transrapid habe dies „schmerzlich gezeigt”.
Ude zerpflückte genüsslich die möglichen Standorte einer Münchner Elbphilharmonie: Der Apothekenhof sei denkmalpflegerisch fragwürdig. Gegen den Finanzgarten spreche das untergründige Dröhnen des Altstadtringtunnels. Das Gelände neben der Sammlung Brandhorst bräuchten die Pinakotheken zur Abrundung des Museumsareals. Die vom Kultusminister Spaenle jüngst ins Gespräch gebrachte Veterinärstraße sei längst der Uni-Physik versprochen.
Dann spielte Ude seine Trumpfkarte aus: Wie wolle der Staat finanziell einen überflüssigen Konzertsaal stemmen, wenn der Landtag bereits bei der notwendigen Sanierung des Gärtnerplatztheaters maule? Es sei auch bis heute unklar, inwieweit sich der Bayerische Rundfunk als Hauptnutznießer des Neubaus an der Finanzierung beteiligen könne. Von privater Seite sei auch noch kein Cent rechtsverbindlich zugesagt.
Auch ein weiteres Argument für einen neuen Saal ist seit gestern vom Tisch: Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks fühlt sich bisher durch das Erstbelegungsrecht der Münchner Philharmoniker im Gasteig in seiner Planung behindert. Paul Müller, der Intendant des Orchesters der Stadt zeigte sich bereit zu Kompromissen. Die Philis wollen in Zukunft für einzelne Projekte in den Herkulessaal ausweichen. Außerdem soll der Carl-Orff-Saal im Gasteig umgebaut werden. Als variabel bestuhlbarer Raum soll er nicht nur für die städtischen Avantgarde-Festivals Münchener Biennale, Dance und Spielart optimiert, sondern auch zum Probenraum ausgebaut werden.
München braucht nach Udes Worten keinen zweiten Saal, weil es neben dem Gasteig mit dem Herkulessaal sowie dem Prinzregenten- und Nationaltheater drei weitere für Orchesterkonzerte nutzbare Räume hat. Tatsächlich hat diese neue städtische Initiative viel für sich: Die bestehenden, sanierungsbedürftigen Säle werden nicht zugunsten teurer Event-Architektur dem Vergammeln preisgegeben. Udes Vorschläge haben den Charme der Nachhaltigkeit. Sie verlangten von allen Beteiligten Kompromisse und zielen auf einen demokratischen Konsens. Und das ist vernünftiger, als mit Machtworten wechselnder Ministerpräsidenten und über eine Hinterzimmerdiplomatie einen Neubau für das BR-Symphonieorchester erzwingen zu wollen, den niemand wirklich will und braucht.