Marktmacht Fantasie
MÜNCHEN - Am 4. Dezember erscheint das neue Märchenbuch von "Harry Potter"- Autorin Joanne K. Rowling. Doch der von ihr befeuerte Fantasyboom ist noch lange nicht vorbei. Jetzt finden Cornelia Funkes "Tintenherz" oder Christopher Paolinis "Eragon" reißenden Absatz.
Für Harry-Potter-Fans ist es, als ob sich ein kleines Fenster öffnet. Zu entdecken: Neue magische Einzelheiten aus der Welt des Zauberlehrlings. Zwar ist die siebenbändige Saga um Harry unwiderruflich beendet, seine Schöpferin Joanne K. Rowling aber hatte Mitleid mit ihren Fans und lieferte neuen Lesestoff. „Die Märchen von Beedle dem Barden“ (Carlsen), die heute weltweit gleichzeitig erscheinen, sind auf den ersten Blick lediglich fünf Geschichten ohne Harry-Bezug. Für echte Fans aber geben sie den Blick frei auf neue und heiß ersehnte Bruchstücke aus der gigantischen Fantasie-Welt, die hinter den Potter-Büchern steckt.
Wann genau die fünf Märchen von Beedle entstanden sind, ist zwar nicht klar. Den Lesern ist eine davon aber schon aus dem siebten und letzten Potter-Band bekannt. Da bekommt Harrys Freundin Hermine vom Zauber-Direktor Dumbledore ein Exemplar des Märchenbuchs geschenkt.
Rowling spendet den Erlös des Buches - an die fünf Millionen Euro
Im „Märchen von den drei Brüdern“ entdeckt sie einen entscheidenden Hinweis, wie der oberste Fiesling Voldemort besiegt werden kann. Die Honorarerlöse aus dem neuen Beedle-Buch spendet Rowling, inzwischen eine der reichsten Frauen Englands, komplett an die von ihr gegründete Hilfsorganisation „Children’s High Level Group“, es sollen rund fünf Millionen Euro sein. Ein handgeschriebenes Buch gab sie zur Auktion frei. Der Online-Einzelhändler Amazon ersteigerte das Exemplar im Dezember 2007 bei Sotheby’s in London – und zahlte dafür rund 2,75 Millionen Euro.
Etwas in Rowlings Schatten wurde Cornelia Funke zum Weltstar. Die seit drei Jahren in Los Angeles lebende „Tintenherz“-Autorin gehört im Ausland zu den bekanntesten Deutschen überhaupt. In der Funke-Welt können Meggie und Mo in „Tintenherz“ Figuren aus Büchern herauslesen, sind Sprotte und „Die wilden Hühner“ die coolste Mädchenbande der Welt, geht der „Herr der Diebe“ auf Beutezug und begibt sich der „Drachenreiter“ auf einen abenteuerlichen Flug in den Himalaya.
Funke hat mit ihrer Erzähl- und Fabulierkunst Bestseller gelandet, mehr als 50 Bücher geschrieben, eine weltweite Auflage von 15 Millionen Exemplaren erreicht. Als die Feuilletons auf das Phänomen Funke aufmerksam wurden, hatten kleine Leseratten ihre Bücher wie „Igraine Ohnefurcht“, „Das Piratenschwein“ oder „Hände weg von Mississippi“ schon als Futter für spannende Stunden entdeckt.
Weil ihr die Kinderbücher anderer nicht gefielen, begann Funke selbst zu schreiben
Die deutsche Antwort auf Rowling muss den Vergleich mit deren Werken keineswegs fürchten. Auch sie schreibt keine Kinderbücher im eigentlichen Sinn mehr. Funkes Geschichten wie die „Tintenherz“-Trilogie sind von Fantasie durchdrungen. Sie studierte in Hamburg zunächst Erziehungswissenschaften und arbeitete drei Jahre lang als Erzieherin auf einem Bauspielplatz. Nach ihrem Studium als Illustratorin gestaltete sie die Texte anderer Autoren, doch oft gefielen sie ihr nicht. Also griff sie selbst zur Feder. 1988 erschien ihr erstes Buch „Die große Drachensuche oder Ben und Lisa fliegen aufs Dach der Welt“. Nach vielen deutschen Verfilmungen ihrer Geschichten kommt nun die erste Hollywood-Produktion von Funke heraus: „Tintenherz“, die mehr als 60 Millionen Dollar teure Produktion mit Helen Mirren und Brendan Fraser, einen Tag nach Funkes 50. Geburtstag am 10. Dezember.
Erst halb so alt ist der Shootingstar der Szene, der Amerikaner Christopher Paolini, der derzeit mit dem dritten Teil seiner „Eragon“-Saga das erfolgreichste Herbstbuch in Deutschland verfasst hat: Knapp 700000 Exemplare hat der zur Random House Gruppe gehörende cbj-Verlag bislang abgesetzt, Band 1 und 2 haben ihre Umsätze in den letzten Wochen verzehnfacht. Ein Erfolg, den so niemand auf der Rechnung hatte. Anglo-amerikanisch war der Fantasy-Bereich, begonnen beim „Urvater“ J.R.R. Tolkien schon immer besetzt, aber die Internationalisierung der Erfolge schreitet – wohl auch dank Internet – immer schneller voran.
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