Mark Knopfler: Glück haben und glücklich sein
Keltische Nostalgie und Countrygefühl:Mark Knopflers neues Album „Get Lucky“
Die Pipes werden neben ihm liegen, die Schlachttrommel wird schweigen. Der Dudelsackspieler bereitet sich vor, in die andere Welt zu wechseln – dieser Tag war ein Tag zum Sterben. Mit dem letzten Song erinnert sich Mark Knopfler an ein Familienmitglied, das er nie kennenlernte: Onkel Freddie – Lance Corporal und Dudelsackspieler des 1. Bataillons, Tyneside Scottish, getötet in der Nähe von Arras am 20. Mai 1940 im Alter von 20 Jahren.
„Get Lucky“ heißt Knopflers neues Album, und auch die Las-Vegas-Lichter des Covers spielen mit dem Spannungsverhältnis von „Glück haben“ und „glücklich sein“. „The Car Was The One“ ist die Miniatur einer jugendlichen Autoverliebtheit. „Monteleon“ erfasst in einem orchestrierten Walzer die Vorfreude auf die Gitarre, die der Instrumentenbauer gerade fertigt. Glück blitzt bei Knopfler, wenn sich persönliches Streben und Zufall in einem Punkt für einen Moment treffen – eine Erkenntnis für ein Alterswerk.
Die federnden, fingerpickin’flinken Gitarrensoli der Dire-Straights-Tage sind auch hier nur noch Zitat in Momenten. Virtuosen-Posen braucht ein Knopfler nicht mehr. Solo fährt er seit längerem, ob mit Chet Atkins oder Emmylou Harris, die Strecke in entgegengesetzter Richtung zurück zu Tradition und Reduktion. In „Cleaning My Gun“ hat der Country seinen breit swingenden Hüftholster-Auftritt. Aber für den Glasgower ist die keltische Folktradition zwischen Schott- und Irland das, wo er seiner ganz eigenen Geschichte nachspürt.
„Border Reiver“ – nicht nur hier singt die Flöte, zwitschert die Whistle. Und es ist dieser Klang, der eben unglückseligerweise – auch wenn das sicher nicht so gemeint ist – eine Menge Kitsch zwischen der Riverdance-Show und Titanic-Soundtrack transportiert. In „Before Gas And TV“ erinnert sich der Sänger zu Flöte und akustischer Gitarre an die Zeit, als sein Vater mit den Löffeln klapperte und auf dem Kamm blies. Wer den Folk-Sound zur Verklärung der guten alten Zeit benutzt, übersieht sein zukunftsweisendes Potenzial. Das ist, das beweisen viele, nicht zwangsläufig eine Folge des Älterwerdens. Christian Jooß
Mark Knopfler: „Get Lucky“ (Universal)
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