Mariae Himmelfahrt im Plastikstuhlkranz
Diözesanmuseum Freising: Junge Künstler in der Ausstellung„Das Paradies“
Das Paradies habe ich mir anders vorgestellt“: Ein drei Meter hoher Wehrturm, geschichtet aus 2500 Sandsäcken. Was darin liegt, kann man nicht sehen – es ist so sicher wie hermetisch abgeschlossen. Diese „feste Burg“ mit dem zitierten Titel liegt im Kreuzgang des Freisinger Domes und ist der Beitrag des Bildhauers Daniel Bräg zur Schau „Das Paradies – Neue Blicke auf einen alten Traum“ – ab Sonntag im benachbarten Diözesanmuseum zu sehen.
Und der Freisinger Domberg ist die Reise wert. Denn als Impulsgeber gerade für junge Künstler spielt das Museum mit seinen religiös motivierten, aber inhaltlich und formal offenen Themenstellungen seit Jahren eine wichtige Rolle. Als heilsbringende Anstalt hat der Ex-Münchner Michael Sailstorfer das Museum darum gleich von außen deutlich markiert: Mit einem grün blinkenden Apothekenkreuz aus Frankreich - hier werden Sie geholfen.
Wie komfortabel geht's im Garten Eden zu
Das Paradies ist nicht nur ein lukratives Objekt für Verkäufer aller Art, sondern auch ein kollektiver Wunsch-Ort, dessen Beschaffenheit so vielgestaltig wie ungeklärt ist. Soviel ist sicher: Es ist von hier aus nur in der Imagination erreichbar. Till Schilling hat die als Metapher eindrucksvollste Arbeit geschaffen: Er baute ein Gewächshaus aus Spiegeln. Zwei Kameras übertragen das Innenleben nach außen auf Flachbildschirme. Sie zeigen 1300 brennende Kerzenlichter tausendfach reflektiert – flackernde Seelen, dicht gedrängt. Ein ziemlich aufgeheizter, unkomfortabel enger Garten Eden.
Das Duo Empfangshalle hat um das Gemälde einer „Himmelfahrt Mariae“ einen Kranz aus weißen Plastikstühlen geflochten. Der Stuhlkreis steht senkrecht im Raum und wird so zum Wolkennimbus der Madonna. Und Werner Mally hat sich für „Ekstasis“ das Prinzip der Transformation zueigen gemacht und aus 16 Arne-Jacobsen-Stühlen ein filigran-durchlässiges Flechtwerk geschnitten. Benjamin Bergmann baute das Uhrwerk des einstigen Knabenseminars aus und koppelte es so von der Zeitzählung ab. Bei Roland Stratmann wiederum findet sich die Ewigkeit im Zeichnungs-Zyklus „Eden“ wieder, in dem die Motive – Apfel, Schlange, Adam und Eva – mit einem von Anfang bis Ende durchs Bild führenden Strich gezeichnet wurden.
Angekokelt
Der New Yorker Davide Cantoni hingegen zeigt ein paradoxes Bild vom Paradies: Als Vorlage diente ein Pressefoto aus einem Flüchtlingscamp im Kongo. Das nackte Überleben ist hier alles, die Menschen sind versehrt wie das Papier, das Cantoni mit Brenngläsern angekokelt hat. Wie bei einigen seiner Kollegen steht die Behauptung dahinter: Die Erde könnte ein Paradies sein, wenn der Mensch nicht so ein Barbar wäre.
„Das Paradies habe ich mir anders vorgestellt“ ist aber auch ein Gedanke, der sich vor manchen der 18 Arbeiten einnistet: Etwa bei Hermann Pitz’ überdimensioniertem, Holztisch, der zwei Drittel im Mittelschiffs der Johanneskirche einnimmt, aber eher wie eine Tribüne aussieht und in der materiellen Ausarbeitung kaum überzeugt. Und Kathrin Thalmanns Projektion aufs Dom-Tympanon mit einem gestellt liebevollen Rentner-Ehepaar und Efeuranken ist so gestelzt wie unausgegoren.
Aber die Vorstellungen vom Paradies sind heute eben individuell – obschon uralte Bilder und Symbole wie Garten, Himmel, Kreuz und der ewige Kreis immer wieder auftauchen.
Roberta De Righi
Am Domberg 18 in Freising, bis 28. Juni, Di bis So 10 bis 17 Uhr