Man sollte nie aufhören zu flirten
Vielleicht sollten wir uns wirklich nicht treffen“, schreibt sie. Oder doch? In Daniel Glattauers Bestseller „Gut gegen Nordwind“ lernen sich eine verheiratete Frau und ein beziehungsgeschädigter Mann per E-Mail kennen – und lieben. Was folgt, ist ein Auf und Ab der geschriebenen Gefühle. Für Schauspielerin Aglaia Szyszkowitz eine besondere Herausforderung.
AZ: Frau Szyszkowitz, das Buch besteht nur aus E-Mails, es gibt keine einzige reale Szene. Wie bringt man das auf die Bühne?
AGLAIA SZYSZKOWITZ: Unser Regisseur Michael Kreihsl hat bereits die Wiener Uraufführung mitgestaltet. Es gibt zwei Zimmer und eine zur Hälfte durchgezogene Wand. So haben wir das Gefühl, zwei separate Leben zu zeigen. Wir spüren uns, sehen uns aber nie direkt an. Wir sprechen über das Publikum miteinander.
Nehmen Sie die Reaktionen der Zuschauer wahr?
Ich konzentriere mich hauptsächlich auf meinen Partner. Aber ich nehme schon Dinge wahr. Bei der Tournee hatte ich einmal ein lautes Piepsen. Wenn ich gerufen hätte: ,Der mit dem Hörgerät bitte raus’, wäre allerdings die Hälfte gegangen. Keine gute Idee.
Wie passen Sie in die Komödie am Bayerischen Hof?
Wir machen keinen Boulevard, sondern ein aktuelles Stück über ein Paar, das sich im Internet kennenlernt. Wir haben intelligente, witzige Dialoge und eine unverschnörkelte Inszenierung.
Das könnte auch nach hinten losgehen.
Die Leute werden es sehr mögen, existenzielle Konflikte zu sehen. Die Geschichte ist ja auch lustig, nicht nur bedrückend. Es geht um ein Thema, das junge und ältere Leute, Frauen und Männer gleichermaßen anspricht. Und es ist sehr typisch für unsere Zeit, in der wir mehr oder weniger ständig SMSen und mailen.
Wie ist das bei Ihnen?
Es gibt Tage, da schreibe ich bis zu 25 SMS. Ich bin ungeduldig und schnell. Wenn man anruft, ist immer viel Quatschi-Quatschi dabei – dafür habe ich nicht immer Zeit.
Sich per Mail zu öffnen, geht deutlich weiter als eine SMS.
Aber auch hier gibt es die Gefahr, dass man sich in etwas reinhühnert, das gar nicht real ist. Klar schreibt es sich schön: ,Ich stehe auf dich.’ Es ist viel schwieriger, das jemandem direkt ins Gesicht zu sagen.
Welche Bedeutung haben solche getippten Gefühle?
Bei Leuten, die ich gut kenne, haben sie einen hohen Stellenwert für mich. Es ist eine große Chance, sich schriftlich auszudrücken – gerade, wenn es im Gespräch nicht ganz so leicht ist.
Muss man überhaupt noch aus dem Haus gehen, um einen Partner zu finden?
Der erste Kontakt ist im Internet schon leichter, weil viele Leute ständig vorm Computer hängen und schauen, was geht. ,Wir sind beide schwul, stehen auf Karibik-Urlaub’ – man kann sich von der grundsätzlichen Richtung her schnell finden. Das ist eine Chance, gerade für Leute mit ungewöhnlicheren Lebensgeschichten.
Wo liegt die Gefahr?
In der Verführbarkeit. In unserem Stück mailen die beiden nachts, während alle anderen schlafen. Da schreibt es sich schnell: ,Ich möchte Sie küssen’. Das sieht am nächsten Morgen, nüchtern, vielleicht schon wieder anders aus. Und dann kommen die Ängste. Das hat Daniel Glattauer wirklich gut auf den Punkt gebracht.
Eine zentrale Frage lautet: Treffen – ja oder nein? Sie fürchtet, er könne ihr nicht gefallen. Oberflächlichkeit oder Angst vor sich selbst?
Beides. Die Angst davor, sich in etwas reingesteigert zu haben – und natürlich davor, sich so sehr zu verlieben, dass sie nicht mehr zurück kann. Sie hat eine Beziehung und weiß, dass alles ins Wanken gerät, wenn sie ihn trifft.
Wie viel Realität verträgt eine perfekte Romanze?
Eine Romanze kann nur tief gehen, wenn man die Realität reinlässt. Man kann sich nicht nur abends treffen, wenn die Frau gut geschmickt ist und der Mann ein frisches Hemd trägt. Wenn die Romantik tiefer geht, wird sie immer auch realer. Das ist die große Kunst.
Würde eine solche E-Mail-Affäre uns allen gut tun?
Man sollte nie im Leben aufhören zu flirten.
Melanie Dörschel
Komödie im Bayerischen Hof, Promenadeplatz 6, 23. 2. – 9. 4.
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