Lizas Hysterie und Minnellis Hypnose
Von „Cabaret“ bis „New York“: Liza Minnelli begeistert als klassischer Musical-Star in der nur halb verkauften Philharmonie
Karten erst ab 80 Euro, Schampus für 9 Euro das Gläschen, überraschenderweise kein Hochglanz-Programmheft oder Devotionalien: Aber die Minnelli ist da . Nachdem sie sich durch den anfänglichen Klangbrei in der Philharmonie gesungen hatte, konnte man hören: Die Stimme ist leicht heiserer geworden – und cooler. Dabei ist Liza immer noch die gewohnt dauerüberdrehte Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs – jetzt noch mit Selbstironie nach zig gescheiterten Ehen (passend dazu ihr Song „If You Hadn’t“) und klinischen Drogen-Entgiftungen.
Denn als es im lockend-extatischen „Cabaret“-Song um ein totes leichtes Mädchen geht, die gerüchteweise an „Pillen und Likör“ gestorben ist, da schiebt die Minnelli ein kleines „hahaha“ ein – nach dem Motto: Das hätte auch mir passieren können. 63 Jahre ist die Diva jetzt und ihr musikalisches Konzept gegen das Alter ist, den Zeitablauf zu leugnen. So steht Liza da – in ihrem klassischen schwarzen Hosenanzug mit der losen Glitzerjacke, als ob die 70er nie vergangen wären.
Nur ein moderner Teleprompter mit den Texten hilft am Bühnenrand. Und als sie slapstickhaft gebückt einen Regiestuhl zum Sitzen ins Zentrum zerrt, witzelt sie: „Keine Angst, diesmal bin ich nicht verrückt, sondern einfach alt!“ Was skurril ist. Denn Liza singt kraftvoll atemlose anderthalb Stunden und erntet fünf Mal stehende Ovationen – für Klassiker von „The World Goes Round“ bis „New York", aus dem Publikum winkt Fritz Wepper, den sie als Freund begrüßt.
Ungebrochene Bühnenmagie
In die vitale Dauerextase schiebt sie Ruhigeres ein, wie den Charles-Aznavour-Tango „What Makes a Man“ – eine Hommage an ihr stark vertretenes rosa Publikum. Ein goldener Teddy war da bereits auf die Bühne geflogen. Liza dankt ehrlich den Münchnern, ihrem Publikum, das ihr die Treue hält, auch wenn oder gerade weil Liza immer Liza bleibt. Dazu gehört auch ihre Bühnenmagie. Die speist sich aus einer fantastischen Stimme, die mühelos zwischen aufgeregt infantil und vollstem, elektrisierendem Musicalklang oder zu louis-armstrong-heiserer Verruchtheit wechseln kann.
Und dann gibt es noch die Minnelli-Hypnose: Denn wenn Liza mit ihren Fingern lockt oder sich im Lichtkegel mit ausgesteckten Armen strahlend zurück wirft, könnte man das Pathos ihrer Songs allein aus ihrer verführerischen Kunst theatralischer Gesten spüren – ein spannender Kontrast zur natürlich sympathischen Beinahe-Hysterie dieses Show-Stars.
Adrian Prechtel
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