Literaturnobelpreisträger Harold Pinter gestorben

Der große britische Dramatiker und Literaturnobelpreisträger Harold Pinter ist tot. Der Theaterautor starb am Heiligabend nach einem langen Krebsleiden im Alter von 78 Jahren, teilte seine zweite Frau, Lady Antonia Fraser, in London mit.
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LONDON - Der große britische Dramatiker und Literaturnobelpreisträger Harold Pinter ist tot. Der Theaterautor starb am Heiligabend nach einem langen Krebsleiden im Alter von 78 Jahren, teilte seine zweite Frau, Lady Antonia Fraser, in London mit.

Pinter galt weltweit als einer der bedeutendsten britischen Autoren. Den Nobelpreis hatte er im Jahr 2005 bekommen. Weggenossen, Kritiker und Politiker würdigten Pinter sowohl für seine Bedeutung für das Theater als auch für sein politisches Engagement. «Er war großartig. Und es war ein Privileg, mit ihm mehr als 33 Jahre zusammenzuleben. Er wird niemals vergessen sein», sagte seine Witwe.

Weltruhm erlangte Pinter, der rund 30 Dramen verfasste, Anfang der 60er Jahre mit «Der Hausmeister». Es folgten rund drei Jahrzehnte, in denen der Autor sein Publikum immer wieder mit verstörenden Werken und sparsamen Dialogen irritierte, aber zugleich für große Theaterabende sorgte. Zu seinen bekanntesten Stücken zählen «The Birthday Party» (1958, Die Geburtstagsfeier), «The Homecoming» (1965, Die Heimkehr) und «Betrayal» (1978, Betrogen). In Deutschland wurde auch seine Groteske «Moonlight» (1993) mit Erfolg inszeniert.

"Ein großer Dramatiker"

Pinter war auch für seine kritische politische Haltung bekannt. Immer wieder hatte er lautstark die Irak-Politik von US-Präsident George W. Bush und des damaligen britischen Premiers Tony Blair attackiert, den er einst als «Kriegsverbrecher» bezeichnete. Außerdem protestierte Pinter gegen die NATO-Bombardierung Serbiens und für die Rechte der Kurden. Die Erhebung in den Ritterstand durch englische Queen lehnte Pinter ab.

«Pinter war ein großer Dramatiker und eine große Figur auf der politischen Bühne. Sein Tod hinterlässt eine riesige Lücke, die im gesamten politischen Spektrum spürbar sein wird», sagte der frühere britische Labour-Minister Tony Benn. Theaterkritiker würdigten Pinter als einen der einflussreichsten Dramatiker. Der Kreativdirektor der BBC, Alan Yentob, sagte, Pinter habe «die Theaterlandschaft seit den 50er Jahren dominiert.» Der Feuilletonist Tim Walker betonte, Pinter habe «Realismus in das Geschäft» gebracht. Der Humorist Bill Bailey erklärte, Pinter habe eine «neue Ära des Dramas eingeläutet».

Der Präsident der Akademie der Künste in Berlin, Klaus Staeck, erklärte: «Wir verneigen uns vor einem Autor, dessen rebellischer Geist und dessen wache internationale Aufmerksamkeit uns tief beeindruckt haben.» Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nannte Pinter einen großen Dramatiker und unnachgiebigen Humanisten. Der Nobelpreis sei eine späte Widmung seines gewaltigen Werkes gewesen, aber auch eine Ehrerbietung an den Mut und das Engagement eines Mannes, der gegen jegliche Form von Barbarei war. Der tschechische Ex-Präsident und Autor Vaclav Havel erklärte: «Harold Pinter war ein exzellenter Dramatiker, den ich seit meiner Jugend respektierte. Seine Stücke sind für mich wunderbar.»

Viele Kritiker

Pinter wurde als Sohn einer jüdischen Schneiderfamilie am 10. Oktober 1930 in London geboren. Als Dramatiker debütierte er mit «The Room» («Das Zimmer»), das 1957 in Bristol uraufgeführt wurde. Weitere frühe Dramen sind «The Birthday Party», ursprünglich ein Fiasko, aber später eines seiner meistgespielten Stücke, und «The Dumb Waiter» («Der stumme Diener»).

Seine Theaterstücke wurden vom Publikum stets zwiespältig aufgenommen. Auch die Verleihung des Nobelpreises rief Kritiker auf den Plan. Doch die Schwedische Akademie würdigte den Autor damals, als «hervorragendsten Vertreter des englischen Dramas in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts». Er habe «in seinen Dramen den Abgrund unter dem alltäglichen Geschwätz freigelegt und ist in den geschlossenen Raum der Unterdrückung eingebrochen». Pinter, bei dem 2002 Krebs diagnostiziert wurde, konnte an der Verleihung wegen seiner Krankheit nicht teilnehmen. Unvergessen ist die Videobotschaft, in der Pinter im Rollstuhl sitzend die US-Außenpolitik attackierte.

Im Februar 2005 kündigte Pinter an, keine Theaterstücke mehr zu schreiben. Er schrieb jedoch weiter für Filme. Unter anderem verfasste er das Drehbuch für den Streifen «Sleuth» (1 Mord für 2) mit Michael Caine und Jude Law in den Hauptrollen.

Pinters Werke waren so einzigartig, dass aus seinem Namen sogar ein Adjektiv entstand: Als «pinteresk» gelten die sparsamen Dialoge, die eine ganz gewisse Atmosphäre entstehen lassen und dem Zuschauer ein Gefühl der Beklemmung bereiten. Pinter sagte einst dazu: «Bei Dramen geht es um Konflikte und Bestürzung, Verwirrung. Ich war nie fähig, ein fröhliches Stück zu schreiben, aber ich bin fähig, ein fröhliches Leben zu genießen.» Pinter lebte mit seiner zweiten Frau Antonia Fraser bis zuletzt zusammen. Er hinterlässt einen Sohn aus erster Ehe und sechs Stiefkinder. Zu Pinters Ehren sollte am Freitag sein Stück «No Man's Land» in London aufgeführt werden. (dpa)

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