Literaturnobelpreis geht nach Südamerika: Auszeichnung für Mario Vargas Llosa
STOCKHOLM - Der Nobelpreis für Literatur geht in diesem Jahr an den Peruaner Mario Vargas Llosa. Der 74-Jährige wird für seine literarische Arbeit in mehr als 30 Romanen ausgezeichnet, das teilte die Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit.
Am Donnerstag um 13.01 Uhr herrscht im ersten Stock der Messehalle 4 die Ruhe vor dem Sturm. Mitarbeiter von Suhrkamp halten unisono das Handy am Ohr. Sekunden später haben sie die Gewissheit: „Ihr“ Mario Vargas Llosa hat den Nobelpreispreis gewonnen. „Ein Schock“, sagt Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz. „Ich bin gerührt.“ Autor Péter Esterházy, der zufällig am Stand steht, nimmt seine Verlegerin in den Arm und gratuliert. Dann schießen auch schon die ersten Reporter und TV-Teams durch die engen Messe-Gassen. Momente später hat das Gedränge Münchner Samstagswiesn-Niveau erreicht.
Der Nobelpreis ist noch immer die Krönung einer Autorenkarriere. Dass er heuer an den inzwischen mit spanischer Staatsbürgerschaft und königlichem Akademiesitz ausgestatteten Peruaner fällt, finden viele Journalisten am Stand überraschend. Denn die Chance auf den Stockholmer Ritterschlag der Ewigkeit schien unwahrscheinlich: Der als Kommunist gestartete und schon vor seiner gescheiterten Kandidatur für die peruanische Präsidentschaft ins (neo)liberale Lager gewechselte Vargas Llosa steht politisch dort, wo die linken Greise des Komitees gerne Missachtung walten lassen.
Ein Großbürger
Vargas Llosa wurde am 28. März 1936 in Arequipa (Süd-Peru) geboren. Dass er aus einer großbürgerlichen Familie stammt, versucht er nicht zu verbergen. Von 1958 bis 1974 lebte er in Madrid, wo er auch seinen Doktor machte. Mit 18 Jahren heiratete er seine 32-jährige Tante, mit der er neun Jahre zusammenlebte. Diese Beziehung verarbeitete er später in „Tante Julia und der Kunstschreiber“. Seinen Weltruhm begründete er gleich mit seinem ersten, 1962 erschienenen Roman „Die Stadt und die Hunde“, einer eindrucksvollen Darstellung autoritärer Systeme.
Vargas Llosas Werk steht für eine erstaunliche künstlerische Bandbreite, die fast alles abdeckt – von Weltliteratur bis Kitsch. Immer wieder mischte er sich leidenschaftlich in die Politik ein. Die Demokratie sei in ganz Lateinamerika gefährdet, warnte er. Linksgerichteten populistischen Staatschefs wie Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez wirft er vor, einen „Kommunismus wie in Kuba“ anzustreben. Kubas Fidel Castro bezeichnete ihn daraufhin als „Vertreter der Oligarchie“.
Vor seiner letzten Münchner Lesung blickte er 2004 gegenüber der AZ wehmütig auf den Niedergang des internationalen Schriftsteller-Adels: „Ich bedauere es sehr, aber die großen Zeiten der Intellektuellen sind vorbei. In den westlichen Demokratien haben sie sich in ihren eigenen Spielchen erschöpft, die Gesellschaften versinken in selbstverschuldeter Frivolität und Banalität.“
Volker Isfort