Literatur in der Hand, Frauen im Blick

Die Ausstellung „Max Frisch. Heimweh nach der Fremde” im Literaturhaus
Michael Stadler |
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Was Max Frisch der Nachwelt hinterließ, das sind nicht nur Werke, in denen der Einzelne bei der Suche nach der eigenen Identität verzweifelt ins Schwimmen gerät. Sondern eben auch jener Ort, wo man selbstvergessen vor den Sorgen des Alltags abtauchen kann. Frisch, zunächst mal Architekt, entwarf das 1949 eröffnete Letzigraben-Bad in Zürich, mit viel Holz, im sachlich-eleganten Schweizer Landistil, und man kann sich anhand eines Videos im Literaturhaus München davon überzeugen, dass die vor kurzem voll sanierte Anlage sich ihren Feriencharme bewahrt hat.

Literaturhaus-Chef Reinhard Wittmann schwärmt von der „leichten, hellen Architektur” des Bads, wobei sich für ihn damit auch fließend eine Brücke zu Frischs Schriftstellerei schlagen lässt. Denn auch beim Schreiben war der Schweizer Autor, der heuer 100 Jahre alt geworden wäre, ein Konstrukteur, dessen Sätze wie Streben ein stabiles Gefüge ergeben. Zusammen mit Kurator Armin Kratzert hat Wittmann nun die Schau „Max Frisch. Heimweh nach der Fremde” auf diesen Zusammenhang aufgebaut, sprich, ein Baugerüst füllt den Ausstellungsraum, was ästhetisch wenig erfrischend ist, aber doch einen gewissen luftigen Charme des Unfertigen hat.

Frischs Werdegang wird vor Augen und Ohren geführt, wobei Volker Hages Band „Max Frisch - Sein Leben in Bildern und Texten” (Suhrkamp) der Schau als Grundstock dient. Beim Foto- und Video-Rundgang kann man ihn als Naturburschen mit seinem Bruder Franz 1929 in den Schweizer Alpen entdecken. Auf Achse blieb er zeitlebens, in Zürich, Rom, Berlin oder New York. Ernst wirkt er meistens, irgendwann kommt auch die Pfeife dazu, die seinen Mund nur selten verlässt, und dann liegt Frisch doch mal entspannt in einer Hängematte, bei einem Mexiko-Aufenthalt im Sommer 1956. Er schlendert in William Braynes Doku „Begegnung mit Max Frisch” auf der Bühne des Züricher Schauspielhauses hin und her, zupft an einer Gitarre und gibt sich auch sonst bei dieser Beobachtung der Proben zu seinem Stück „Biografie. Ein Spiel” humoristisch aufgekratzt. Neben weiteren Filmen - Frisch, wie er mit seinem unvergleichlichen Schweizer Akzent aus „Mein Name sei Gantenbein” liest, oder wie er sein erstes TV-Interview bei den Berliner Festwochen 1954 höflich übersteht – kann man ein paar Frisch-Memorabilien aus dem Besitz seiner Frau Marianne entdecken: Tabakspfeife, Brillenetui, Lupe, eine Zigarettenkiste, geschenkt von Dürrenmatt und Erstausgaben.

Ein Foto zeigt ihn in Rom 1986 vor einem Schaufenster, hinter dem Glas blicken ihm zwei Schaufensterpuppen in weißen Kleidern entgegen, er schaut interessiert zurück, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, ein Buch, wohl ein Kunstführer, umgriffen: Die Literatur in der Hand, die Frauen im Blick - so hat sich Frisch seine Realität schön konstruiert.

Literaturhaus, bis 29.6., Di-Fr 11-19 Uhr, Sa und So, 10-18 Uhr, Eintritt 5/ermäßigt 3 Euro inklusive Audioguide

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