Literarische Herbstträume

Münchens neues, internationales Literaturfestival geht im November 2010 unter der Leitung von Ilija Trojanow an den Start, doch es drohen Konflikte mit der Münchner Bücherschau
von  Abendzeitung

Münchens neues, internationales Literaturfestival geht im November 2010 unter der Leitung von Ilija Trojanow an den Start, doch es drohen Konflikte mit der Münchner Bücherschau

Heute wird im Münchner Stadtrat das Konzept zum Internationalen Literaturfestival durchgewunken, und dessen Kurator für 2010, der Schriftsteller Ilija Trojanow, bestimmt. Damit bekommt der ehrgeizige Versuch, im literarischen Vergleich mit Städten wie Köln, Hamburg, Berlin nicht abgehängt zu werden, endlich eine Form. Auch wenn das bewusst luftig gehaltene Konzept erst noch mit Leben gefüllt werden muss.

Kulturreferent Hans-Georg Küppers erkannte bald nach seinem Amtsantritt, dass sich die Münchner Frühjahrsbuchwoche überlebt hatte. Und er ließ sich diese Meinungen am runden Tisch mit Verlegern, Autoren und Journalisten bestätigen. Wichtig ist es nun, das neue Kind auf die Beine zu bringen. Entscheidend dabei ist auch die Terminwahl: Das Frühjahr ist durch die Leipziger Buchmessse und das lit.Cologne-Festival belegt, im Sommer weilt der Münchner im Urlaub oder im Biergarten, und vor der Frankfurter Buchmesse blieb im nationalen Kalender der Literaturszene kein Platz frei.

Nur noch Sachbücher auf der Bücherschau?

Deshalb soll das neue Internationale Literaturfestival (unter der Geschäftsführung des Literaturhauses) nun zeitgleich mit der Bücherschau im November stattfinden und diese quasi aufwerten. Hier beginnen aber auch schon die Probleme: Kurator Ilija Trojanow muss mit der eher kläglichen Summe von gut 100000 Euro das Rad neu erfinden, ein literarisch attraktives Programm gestalten, das als roter Faden Grenzüberschreitung und Globalisierung berücksichtigt. Dafür steht der Kosmopolit schließlich mit seiner eigenen Vita und seinem Werk („Der Weltensammler“).

Im Konzeptpapier allerdings geht der literarische Programmteil zu Lasten der Bücherschau. Diese soll zukünftig als Schwerpunkt das Sachbuch präsentieren. Das irritiert. Schließlich hat Programmleiter Thomas Kraft die vom Börsenverein des Buchhandels ausgerichtete Bücherschau in den letzten zehn Jahrena als Publikumsmagnet etabliert, mit einem vielfältigen Angebot, ganz ohne politische Themenklammer und unter Berücksichtigung des Leserinteresses.

Terminschwierigkeiten

Auch bei der diesjährigen 50. Bücherschau haben Autoren wie Juli Zeh, Carlos Ruiz Zafón oder Frank Schätzing jeweils mehr als 500 Fans in den Carl-Orff-Saal gelockt. Und es scheint fraglich, ob eine bewusste Schwächung der Bücherschau den literarischen Herbst in München insgesamt attraktiver macht. Festivals wie lit.Cologne haben ihren Erfolg ausschließlich der Verpflichtung von populären Autoren zu verdanken. Ganz so einfach aber will es sich die Stadt mit dem neuen Festival nicht machen. Andererseits sind sechs Wochen nach der Frankfurter Buchmesse auch nicht viele internationale Stars zu einem zweiten Termin in Deutschland bereit.

Küppers Wunsch und Vision ist es, dass künftig auch andere städtische Kultureinrichtungen (wie Volkstheater oder Kammerspiele) ihren Beitrag leisten, Ehrungen wie der Geschwister-Scholl-Preis und die Corine könnten ebenfalls in das Festival integriert werden.

Dass die hochfliegenden Wünsche bereits bei der ersten Festival-Ausgabe unter Kurator Trojanow alle erfüllt werden können, ist utopisch. Bis München für die literarische Branche ein Fixtermin wie Leipzig oder Frankfurt wird, ist noch viel Entwicklung nötig und die behutsame Feinabstimmung der Veranstalter untereinander.

Volker Isfort

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