Liebe hat keine Chance
Hans-Ulrich Becker inszenierte Racines „Andromache“ im Cuvilliés Theater
Vergessen wir den Krieg. Hört das denn niemals auf? Ich bin mit meinem Hass am Ende.“ Starke Worte eines starken Mannes. Doch stärker als Pyrrhus’ Worte ist das Bild: Auf der Bühne des Cuvilliés Theaters türmt sich ein bleicher Knochenberg (Bühne: Alexander Müller-Elmau) – die Überreste des Trojanischen Kriegs. Der spukt noch in den Köpfen der Lebenden und steht jeder Liebe im Weg. Hans-Ulrich Becker hat Jean Racines 1667 uraufgeführte „Andromache“ inszeniert als packende Tragödie traumatisierter Menschen im Kampf zwischen Leidenschaft und Politik. Großer Beifall für das glänzende Ensemble.
Rührend umwirbt König Pyrrhus im Ledermantel mit einem Blumensträußchen die Frau, die nichts von ihm wissen will: Andromache, Witwe des Trojaner-Helden Hektors, die er als Kriegsbeute-Sklavin mitgebracht hat. Kraftvoll spielt Stefan Hunstein das Wechselbad der Gefühle verschmähter Liebe zwischen Rachegelüsten, Reue und Einsicht. Seine sitzengelassene Verlobte Hermione sinnt auf Vergeltung: Susanna Simon changiert als emotionsstarke, verzweifelt Liebende zwischen Stolz und Unterwerfung. Der in sie verliebte griechische Gesandte Orest ist für sie keine Alternative: Marcus Calvin wurde fehlinszeniert als hysterischess Neurosenbündel, verzappelt, verkrampft und verkünstelt.
Die Reste des Helden in der Plastiktüte
Erstaunlich wandelt sich Ulrike Arnolds Andromache: Verschleiert und historisierend gewandet, ist sie zunächst eine in Trauer und Treue erstarrte Ikone, die die Knöchelchen des toten Hektor in einer Plastiktüte bei sich trägt. Am Ende ist sie die überlebende Gewinnerin: Im fließenden Kleid und mit gelöstem Haar kickt sie befreit den Fußball ihres geretteten Sohnes.
Alle taumeln, stolpern, liegen, sitzen und rutschen auf dem Gebeinehügel herum – auch die alten Ratgeber (Helmut Stange und Eva Schuckardt) kuscheln sich da mal aneinander. Beckers Inszenierung brilliert in strenger Form mit schönen, starken, und anrührenden Bildern für Krieg und Liebe.
Gabriella Lorenz
Cuvilliés Theater, 3., 6., 14., 22., 24. April, 20 Uhr, Tel.21851940
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